Orientierungssatz

1. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB 2 für in einer stationären Einrichtung Untergebrachte gilt auch für Gefangene in einer Justizvollzugsanstalt, wenn der Aufenthalt dort länger als sechs Monate dauert. Das gilt auch bei Lockerungen des Vollzugs in der Form der Außenbeschäftigung oder des Freiganges.

2. Leistungen nach dem SGB 2 erhält jedoch, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist. Zu einer solchen normalen Arbeitstätigkeit zählt nicht, wer über die Justizvollzugsanstalt beschäftigt wird.

3. Die Vollzugslockerung unterbricht den Strafvollzug nicht. Nur ein Beschäftigungsverhältnis des Freigängers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder als Selbständiger führt nicht zum Leistungsausschluss des § 7 Abs. 4 SGB 2.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. August 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Antragsteller begehrt Leistungen für Unterkunft nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der 1963 geborene Antragsteller ist seit dem 01. August 2005 Mieter einer 51,65 m² großen Wohnung in der Wstraße in B mit einer Gesamtmiete von 357,61 Euro monatlich.

Der Antragsteller erhielt von der Antragsgegnerin seit dem 01. August 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Mit Bescheid vom 03. Februar 2006 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 01. Februar 2006 bis 31. Juli 2006 in Höhe von monatlich 693,61 Euro.

Am 15. Mai 2006 wurde der Antragsteller in Strafhaft in die Justizvollzugsanstalt (JVA) H genommen (voraussichtliches Haftende 13. Januar 2007). Nachdem der Antragsgegner über den Haftantritt in Kenntnis gesetzt wurde, hob dieser mit Bescheid vom 12. Mai 2006 die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes mit Wirkung vom 15. Mai 2006 ganz auf. Mit seinem am 09. Juni 2006 erhobenen Widerspruch wandte sich der Antragsteller gegen die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes mit der Begründung, er werde demnächst als freigangsgeeignet eingestuft und stehe dem freien Arbeitsmarkt somit wieder uneingeschränkt zur Verfügung. Als zum Freigang geeignet gelte die Unterbringung in der JVA nur als teilstationäre Unterbringung.

Mit Schreiben vom 29. Juni 2006 teilte die JVA H dem Antragsgegner mit, dass der Antragsteller grundsätzlich freigangsgeeignet sei und damit dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. August 2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Antragstellers zurück. Die hiergegen erhobene Klage vor dem Sozialgericht Berlin trägt nach Auskunft der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers das Aktenzeichen S 92 AS 8324/06.

Mit Schreiben der tw soziale Dienste rund ums Wohnen vom 07. August 2006 erhielt der Antragsgegner Kenntnis, dass Mietrückstände in Höhe von insgesamt 715,22 Euro für die Monate Juli 2006 und August 2006 bestünden und das Mietverhältnis durch Schreiben des Vermieters, der BVW zu Ke. G., fristlos gekündigt wurde.

Einen vom Antragsteller am 11. August 2006 gestellten weiteren Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 15. August 2006 ab. Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller Widerspruch eingelegt, über den nach Auskunft der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers bislang noch nicht entschieden worden ist.

Am 15. August 2006 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Berlin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners bestehe bei einem Inhaftierten jedenfalls dann, wenn er wie in seinem Falle dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe, kein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB II. Zudem bestehe auch ein Anordnungsgrund, der sich daraus ergebe, dass sein Existenzminimum nicht gesichert sei und ihm konkret der Verlust seiner Wohnung drohe. Der Vollzug sei so angelegt, dass er einen nicht unerheblichen Teil seiner Zeit außerhalb der JVA in seiner Wohnung verbringen dürfe. Aufgrund der relativ geringen Haftdauer sei es völlig unverhältnismäßig, hier durch Nichtzahlung den Verlust der Wohnung zu riskieren.

Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat der Antragsteller gleichzeitig Prozesskostenhilfe beantragt.

Mit Beschluss vom 23. August 2006 hat das Sozialgericht Berlin sowohl den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als auch den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Anordnungsverfahren abgelehnt. Gemäß § 7 Abs. 4 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 sei ein Anspruch des Antragstellers auf Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Der Antragstelle...

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