Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer Kostenprivilegierung im sozialgerichtlichen Verfahren

 

Orientierungssatz

1. Das sozialgerichtliche Verfahren ist für die in § 183 S. 1 SGG benannten kostenprivilegierten Personen kostenfrei. Diese müssen in der jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte am Verfahren teilnehmen. Nimmt eine in dieser Vorschrift genannte Person in einer anderen Eigenschaft, z. B. als Unternehmer am Verfahren teil, so unterliegt sie nicht der Kostenfreiheit.

2. Einem landwirtschaftlichen Unternehmer steht damit die Kostenprivilegierung nicht zu, wenn er sich in seiner Eigenschaft als Unternehmer gegen die Erhebung von Beiträgen durch die Berufsgenossenschaft wendet.

3. Das Gleiche gilt für eine Person, die von der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft als Eigentümer eines als land- bzw. forstwirtschaftlichen Grundstücks in der Eigenschaft eines Unternehmers zur Beitragszahlung herangezogen wird.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 29. Mai 2015 wird verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer.

Der Streitwert wird auf 359,35 € festgesetzt.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die von der vormaligen Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (LBG) Mittel- und Ostdeutschland (im Weiteren: LBG) als Rechtsvorgängerin der Beschwerdegegnerin erlassenen Beitragsbescheide für die Umlagejahre 2010 und 2011 zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung.

Mit Bescheid vom 19. Mai 2011 setzte die LBG den vom Beschwerdeführer für das Umlagejahr 2010 zu zahlenden Beitrag i. H. v. 687,73 Euro fest. Unter Berücksichtigung des Anspruchs auf beitragsreduzierende Bundesmittel ergab sich ein Forderungsbetrag von 488,06 Euro. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Widerspruch. Mit Berichtigungsbescheid vom 20. Juli 2011 reduzierte die LBG diese Forderung um über die Beitragsforderung hinaus geltend gemachte Mahngebühren i.H.v. 6,05 Euro. Mit Widerspruchsbescheid vom 09. August 2011 wies die Beschwerdegegnerin den Widerspruch zurück.

Am 10. September 2011 hat der Beschwerdeführer die Klage zum Sozialgericht (SG) Potsdam erhoben.

Mit Bescheid vom 02. März 2012 setzte die LBG den Beitrag für das Unternehmen des Beschwerdeführers für das Umlagejahr 2011 i. H. v. 605,27 € fest, woraus sich unter Berücksichtigung des Anspruchs auf beitragsreduzierende Bundesmittel ein Forderungsbetrag von 416,06 € ergab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Beschwerdeführers wies die Beschwerdegegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2012 zurück. Im laufenden Klageverfahren hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 19. Juli 2012, eingegangen bei Gericht am 03. August 2012, diesbezüglich Klageerweiterung erklärt.

Aufgrund eines rechtlichen Hinweises des SG reduzierte die Beschwerdegegnerin mit Berichtigungsbescheid vom 30. April 2013 die Beitragsforderung für das Jahr 2010 auf 202,67 € und für das Jahr 2011 auf 156,68 €.

Mit Urteil vom 29. Mai 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, dem Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens aufgegeben und die Berufung nicht zugelassen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, dass die Berufung gegen das Urteil nicht gegeben sei, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 € nicht übersteige und keine wiederkehrenden Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen seien. Sonstige Zulassungsgründe nach § 144 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) lägen nicht vor.

Nachdem ihm das Urteil am 15. Juli 2015 zugestellt worden war, hat der Beschwerdeführer am 08. August 2015 gegen die Nichtzulassung der Berufung Beschwerde eingelegt. Das SG habe unzutreffend eine Kostenentscheidung nach § 197a SGG getroffen, obwohl er im Rahmen dieses Streitverfahrens nach dem Willen des Gesetzgebers zum privilegierten Personenkreis nach § 183 SGG zähle. Das Gericht verkenne im Übrigen die Berechnungsgrundlage für die Beitragsberechnung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte der Beschwerdegegnerin und die Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen. Denn die Berufung gegen das Urteil des SG vom 29. Mai 2015 ist bereits kraft Gesetzes statthaft und bedarf nicht der gesonderten Zulassung durch das Beschwerdegericht.

Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 Euro nicht übersteigt. Dies gilt nach § 144 Abs. 2 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Vorliegend betrifft der Rechtsstreit wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr, so dass die Berufung kraft Gesetzes zulässig ist. Die Bescheide vom 19. Mai bzw. 20....

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge