Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers gegen den Rentenversicherungsträger. Pfändung von Rentenleistungen zeitlich vor der Entstehung des Erstattungsanspruches. Pfändung zur Sicherung von Unterhaltsansprüchen. gepfändete Rente als Einkommen. Kenntnis iS von § 104 SGB X

 

Orientierungssatz

1. Erstattungsansprüche der Träger der Sozialhilfe nach § 104 SGB X gehen gemäß § 113 SGB X einerPfändung durch andere Gläubiger des Hilfeempfänger auch dann vor, wenn sie zeitlich vor der Entstehung der Erstattungsansprüche erfolgt ist.

2. § 113 SGB XII erfasst sowohl den Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X als auch den Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X.

3. Weder der Wortlaut des § 113 SGB XII noch verfassungsrechtliche Gründe gebieten oder erfordern eine einschränkende Auslegung in dem Sinne, dass Pfändungen oder rechtsgeschäftliche Verfügungen zur Sicherung von Unterhaltsansprüchen von § 113 SGB XII ausgenommen sind. Es ist nicht Aufgabe der öffentlich finanzierten Sozialhilfe, Schulden aus nicht erfüllten Unterhaltsansprüchen eines sozialhilfebedürftigen Rentners abzudecken.

4. Auch die gepfändete Rente stellt im Hinblick auf das Zuflussprinzip nach § 82 Abs. 1 SGB XII verwertbares Einkommen dar.

5. Grundsätzlich ist erforderlich, daß der um Erstattung ersuchte Leistungsträger positive Kenntnis im Sinne von § 104 Abs. 1 S. 1 SGB X von Leistungsart, -zeit und -höhe hat. Dieses Erfordernis kann jedoch nicht in vollem Umfang für den Erstattungsanspruch der Träger der Sozialhilfe nach § 104 Abs. 1 S. 4 SGB X, der lediglich auf die entsprechende Anwendung von S. 1 verweist, gelten. Dem Sozialhilfeträger ist es regelmäßig nicht möglich, dem Sozialleistungsträger rechtzeitig diese Daten mitzuteilen, bevor dieser seine Leistung - hier die Rente - an den Berechtigten zu leisten hat. Es muss daher ausreichen, dass der Sozialleistungsträger positive Kenntnis von dem Sachverhalt erlangt, aufgrund dessen der Erstattungsanspruch geltend gemacht werden soll (Vergleiche BSG, Urteil vom 29.03.1994 - 13 RJ 65/92).

 

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Sie hat außerdem dem Beigeladenen dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.

Der Streitwert wird auf 6099,66 € festgesetzt.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin, die J v W (Versicherter) Rente gewährt, Auszahlung der von ihr gepfändeten Rente.

Die Antragstellerin ist die geschiedene Ehefrau des Versicherten. Der im März 1942 geborene Versicherte bezieht von der Antragsgegnerin seit 25. Oktober 1995 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und zwischenzeitlich wohl Regelaltersrente. Er erhält außerdem eine Invalidenrente vom niederländischen Versicherungsträger.

Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Köpenick vom 06. Dezember 2001 sind die derzeitigen und zukünftig zustehenden Geldleistungen aus Rente des Versicherten (einschließlich der Rente des niederländischen Versicherungsträgers) gegen die Antragsgegnerin wegen eines Unterhaltsrückstandes für die Zeit vom 01. November 1999 bis 30. November 2001 von 8 742,78 DM und eines Unterhalts ab 01. Dezember 2001 von 448,53 DM monatlich gemäß §§ 850 ff., 850 c Zivilprozessordnung (ZPO) zugunsten der Antragstellerin gepfändet und an sie zur Einziehung überwiesen worden. Es ist außerdem bestimmt worden, dass dem Versicherten lediglich ein pfandfreier Betrag von 1 042,00 DM monatlich zu belassen sei. Mit weiterem Beschluss des Amtsgerichts Köpenick vom 18. Januar 2002 ist gemäß § 850 e Ziffer 2, 2 a ZPO die Zusammenrechnung der gepfändeten Erwerbsunfähigkeitsrente mit der Invalidenrente des niederländischen Versicherungsträgers angeordnet worden, wobei sich der nach der Zusammenrechnung der Einkünfte ergebende unpfändbare Einkommensanteil in erster Linie der Invalidenrente des niederländischen Versicherungsträgers zu entnehmen sei.

Die Antragsgegnerin zahlte daraufhin ab 01. März 2002 die gesamte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, seinerzeit 335,05 € monatlich, an die Antragstellerin aus.

Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Köpenick vom 19. Februar 2004 sind die dem Versicherten gegenüber der Antragsgegnerin zustehenden Ansprüche auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und auf Auszahlung der im Auftrag des niederländischen Versicherungsträgers ausgezahlten Invalidenrente wegen Unterhaltsrückständen für die Zeit vom 01. November 1999 bis 29. Februar 2004 von 8 388,26 € und eines Unterhalts ab 01. März 2004 von 178,76 € monatlich zugunsten der Antragstellerin nach §§ 850 ff., 850 c ZPO gepfändet und an sie zur Einziehung überwiesen worden. Es ist außerdem bestimmt worden, dass dem Versicherten lediglich ein pfandfreier Betrag von 551,00 € monatlich zu belassen sei. Daneben ist die Zusammenrechnung der Einkünfte nach § 850 e Ziffer 2 und 2 a ZPO angeordnet worden, wobei der unpfändbare Einkommensanteil in...

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