Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Versicherungspflicht wegen Bezugs von Arbeitslosengeld II. Vorliegen des Ausschlusstatbestandes nach § 5 Abs 5a S 1 SGB 5

 

Leitsatz (amtlich)

Rückwirkende Anfechtung eines bereits vor Beginn des Alg-II-Bezugs für beendet gehaltenen Privatversicherungsvertrages - Berücksichtigung bei Frage der Privatversicherung unmittelbar vor Leistungsbezug.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 5. Dezember 2012 wird geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bis zum 31. Juli 2013 zu gewähren und ihr hierfür unverzüglich eine Versicherungskarte zu übergeben. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten. Eine weitere Kostenerstattung findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin begehrt, als Bezieherin von Arbeitslosengeld II bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert zu sein.

Die Antragstellerin war jedenfalls vor dem Jahr 2012 selbstständig tätig und bei der Beigeladenen zu 1 privat kranken- und pflegeversichert. Mit einem unter dem 5. Dezember 2011 gefertigten Schreiben kündigte die Antragstellerin die Versicherungen bei der Beigeladenen zu 1 zum 31. Dezember 2011 wegen einer dort ausgesprochenen Prämienerhöhung (Bl. 23 der GA). Sie legte der Beigeladenen zu 1 eine von der Beigeladenen zu 2 unter dem 23. November 2011 ausgestellte Versicherungsbescheinigung über die Versicherung in der substitutiven Krankenversicherung und der Pflegepflichtversicherung (Bl. 24 der Gerichtsakte - GA).

Unter dem 9. Februar 2012 und erneut unter dem 11. Februar 2012 erklärte die Beigeladene zu 2 den Rücktritt von dem mit ihr geschlossenen Vertrag wegen Nichtzahlung der Erstprämie (Bl. 53 der GA).

Ausweislich einer Gewerbeabmeldung vom 3. September 2012 gab die Antragstellerin das von ihr betriebene Nagelstudio am 1. Juni 2012 (Tag der Betriebsaufgabe) auf (Bl. 4 GA).

Aufgrund eines Antrags vom 24. August 2012 bewilligte das Jobcenter Berlin-Mitte der Antragstellerin Arbeitslosengeld II ab dem 1. August 2012 (zuletzt mit Bescheid vom 5. Februar 2013 befristet bis zum 31. Juli 2013).

Mit einem auf den 20. April 2012 datierten Bescheid, den die Antragstellerin nach eigenen Angaben am 1. Oktober 2012 erhalten haben will, lehnte die Antragsgegnerin eine Mitgliedschaft der Antragstellerin ab. Die Versicherungspflicht aufgrund des Alg II Bezuges begründe keine Aufnahme bei einer gesetzlichen Krankenkasse. Die Antragsgegnerin verwies ferner auf die Möglichkeit einer Versicherung in der privaten Krankenversicherung.

Unter dem 6. September 2012 erteilte die Beigeladene zu 1 der Antragstellerin eine Versicherungsbestätigung für den Zeitraum vom 1. April 2007 bis 31. Dezember 2011 und teilte einen Beitragsrückstand von 3691,25 Euro mit (Bl. 5 der GA).

Am 26. September 2012 ging ein Prüfbogen zur Feststellung der Anspruchsberechtigung auf Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bei der Antragsgegnerin ein.

Die Antragstellerin erhob gegen den auf den 20. April 2012 datierten Bescheid am 9. Oktober 2012 Widerspruch.

Am 29. Oktober 2012 hat sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Berlin beantragt. Der Versicherungsvertrag bei der Beigeladenen zu 1 sei wegen ihrer Zahlungsunfähigkeit noch zum 31. Dezember 2011 gekündigt worden, weil sie sich keine private Krankenversicherung mehr habe leisten können. Sie sei bis heute nicht versichert. Sie benötige dringlich ärztliche Behandlung.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Dieser sei mangels Abschluss des Vorverfahrens unzulässig. Die Antragstellerin sei bei Beginn des Bezugs von Arbeitslosengeld II hauptberuflich selbstständig und privat krankenversichert gewesen.

Die in erster Instanz allein beigeladene Beigeladene zu 1 hat auf die Möglichkeit der Antragstellerin zum Abschluss eines neuen Vertrages im Basistarif verwiesen.

Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 5. Dezember 2012 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht habe, dass die Ausschlussvorschrift des § 5 Abs. 5 a SGB V nicht eingreife, wonach nicht versicherungspflichtig ist, wer unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 SGB V genannten Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte. Die Antragstellerin habe trotz zweifacher Nachfrage weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass die Versicherung bei der Beigeladenen zu 2 nicht bis unmittelbar vor Bezug von Arbeitslosengeld II bestanden habe.

Nachdem am 12. Dezember 2012 Kopien der Rücktrittserklärungen der Beigeladenen zu 2 bei dem Sozialgericht eingegangen...

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