rechtskräftig

 

Verfahrensgang

SG Berlin (Entscheidung vom 16.08.1999)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. August 1999 aufgehoben. Der Vollzug des Bescheides der Antragsgegnerin vom 10. März 1999 wird einstweilen bis zur Entscheidung in der Hauptsache ausgesetzt. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Antragsteller begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Aussetzung der Aberkennung einer Entschädigungsrente nach dem Gesetz über Entschädigung für Opfer des Nationalsozialismus im Beitrittsgebiet - ERG - vom 22. April 1992 (BGBl. I 906) bis zur Entscheidung in der Hauptsache.

Der am ... geborene Antragsteller hat den Beruf eines ... erlernt. In der Zeit vom ... 1935 bis zum ... 1936 war er wegen Betätigung für die SAP (Sozialistische Arbeiterpartei) inhaftiert. Nach dem Ende des Zweiten Welt-krieges war er zunächst im Gebiet der ehemaligen DDR weiter als ... tätig. In der Zeit vom 1. Juni 1951 bis 31. Mai 1953 nahm der Antragsteller an einem Ausbildungslehrgang für Richter und Staatsanwälte teil. Seit 1953 war er Offizier der Nationalen Volksarmee (NVA). Nachdem der Antragsteller 1958 das juristische Staatsexamen an der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften "Walter Ulbricht" bestanden hatte, war er zunächst seit 1961 bei der Bereitschaftspolizei Berlin (Ost) als Stellvertreter des Militärstaatsanwaltes tätig. Im Oktober 1965 wechselte er zur Militäroberstaatsanwaltschaft. Hier war er Militärstaatsanwalt ... und in gleicher Funktion ab ... tätig. Am ... schied er wegen Erreichens der Altersgrenze im Range eines Oberstleutnants aus dem Dienst aus.

Dem Antragsteller war aufgrund der Anordnung über Ehrenpensionen für Kämpfer gegen den Faschismus und für Verfolgte des Faschismus sowie deren Hinterbliebene (EhPensAO) vom 20. September 1976 (Vertrauliche Dienstsache -VD 26/19/76) in der DDR eine Ehrenpension zuerkannt worden. Die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) zahlte ab 3. Oktober 1990 die Ehrenpension in Höhe von 1.400,-- DM zu Lasten der Antragsgegnerin weiter. Ab dem 1. Mai 1992 bewilligte die BfA in Ersetzung des Rechts auf eine Ehrenpension eine Entschädigungsrente nach § 2 ERG in der gleichen Höhe.

Mit Schreiben vom 31. Juli 1998 wies die Beigeladene zu 1) den Antragsteller darauf hin, dass er in der DDR an sieben im Einzelnen genannten gerichtlichen Verfahren vor dem Stadtgericht Berlin, dem Militärobergericht Berlin und dem Obersten Gericht der DDR als Vertreter der Militärstaatsanwaltschaft teilgenommen habe. Hierbei habe er in seiner Funktion als Militärstaatsanwalt nachhaltig gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen. Die Gerichte seien seinen Strafanträgen bei den verhängten Urteilen gefolgt, in einem Fall habe der Strafantrag des Antragstellers über der verhängten Freiheitsstrafe gelegen. Dem Antragsteller wurde der Inhalt der jeweiligen gerichtlichen Verfahren, der zugrunde gelegte Sachverhalt, seine eigene Mitwirkung und in fünf Fällen die zwischenzeitlich erfolgte Rehabilitierung der seinerzeitigen Angeklagten durch Beschlüsse des Landgerichts Berlin vorgehalten. Die genannten Verurteilungen seien rechtsstaatswidrig gewesen. Als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft habe er in den genannten Verfahren auf eine rechtsstaatswidrige Verurteilung der Angeklagten hingewirkt. Die Rechtsstaatswidrigkeit der Verurteilung sei in fünf Verfahren durch Beschlüsse des Landgerichts Berlin im Rehabilitierungsverfahren festgestellt worden. Die Rechtsstaatswidrigkeit der Verurteilung in den übrigen beiden Verfahren ergebe sich unter Anwendung der Vorschriften des § 1 Abs. 1 Ziffer 1 Buchst. i, Abs. 3 und § 1 Abs. 1 Ziffer 1 Buchst. i des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (StrRehaG) vom 29.Oktober 1992 (BGBl. I S. 1814). Der Verstoß gegen den Grundsatz der Menschlichkeit liege darin, dass er als Anklagevertreter in den genannten Verfahren einen mitursächlichen Beitrag dazu geleistet habe, dass die damaligen Angeklagten aufgrund ihrer Verurteilungen - in den meisten Fällen über mehrere Jahre - ihrer Freiheit beraubt worden seien.

Der Verstoß gegen diese Grundsätze entfalle auch nicht dadurch, dass die bei der Staatsanwaltschaft II bei dem Landgericht Berlin gegen den Antragsteller anhängig gewesenen Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Rechtsbeugung eingestellt worden seien. Die Maßstäbe für die Rechtsbeugung einerseits und den Vorwurf des Grundsatzverstoßes andererseits seien unterschiedlich. Der Bundesgerichtshof (BGH St 41, 247, 251) habe zwar entschieden, dass die bloße Anwendung der Vorschriften des politisch motivierten Strafrechts durch Richter und Staatsanwälte der DDR noch keine Rechtsbeugung darstelle, gleichzeitig habe der BGH jedoch keinen Zweifel an der Rechtswidrigkeit der Heranziehung der einschlägigen Strafbestimmungen in Fällen der vorliegenden Art gehegt und insoweit ausdrücklich auf § 1...

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