Orientierungssatz

Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG Stuttgart vom 22.7.1998 - L 2 RJ 454/98, das vollständig dokumentiert ist.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Vergabe einer neuen Versicherungsnummer mit geändertem Geburtsdatum.

Der Kläger, der die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, erhielt von der Beklagten entsprechend seinen Angaben beim Eintritt in die deutsche Rentenversicherung die Versicherungsnummer . Mit Schreiben vom 13.09.1995 zeigte die Allgemeine Ortskrankenkasse Baden-Baden der Landesversicherungsanstalt Baden an, das in der Versicherungsnummer enthaltene Geburtsdatum des Klägers sei fehlerhaft und müsse richtig "1939" lauten. Hierzu fügte sie einen Auszug aus dem Personenstandsregister der Provinz Istanbul vom 28.07.1995 bei, demzufolge das Geburtsdatum des Klägers durch Urteil Nr. 502 (AZ.: 990/439) des 11. Amtsgerichts für Zivilsachen in Istanbul in "1939" berichtigt wurde. Zur Feststellung des genauen Geburtsdatums forderte die Beklagte den Kläger auf, den Gerichtsbeschluß, Volksschulzeugnisse im Original, eine amtliche Bescheinigung über die Ableistung seines Wehrdienstes sowie Auszüge aus dem türkischen Einwohnerbuch zu übersenden (Schreiben vom 06.10.1995). Am 16.09.1996 legte der Kläger u.a. das Schreiben der Militärdienstvorsitzabteilung des Verteidigungsministeriums I. vom 05.08.1996 über die Ableistung seines Wehrdienstes (vom 13.12.1962 bis zum 13.12.1964), den Auszug aus dem Standesregister des Standesamtes I. vom 02.08.1996 sowie den Entschluß des 11. Rechtsgrundgerichts I. vom 14.08. 1990 vor. Der Auszug aus dem Standesregister enthält u.a. die Geburtsdaten des Klägers, seiner Ehefrau sowie seiner drei Kinder (Geburtsdatum des Klägers: 10.10.1942 - Or. -, 1939 - Richtigstellung -) sowie den Vermerk, das Geburtsdatum des Klägers sei durch Urteil Nr. 990/439 des 11. Landgerichts (LG) Istanbul als "1939" richtiggestellt. Nach dem Inhalt des Urteils des LG Istanbul wurde dem Antrag des Klägers, sein Geburtsdatum in "1939" zu berichtigen, stattgegeben, weil er nach dem Inhalt des Personenstandsregisters nicht in einer offiziellen Geburtsanstalt geboren sei, kein Hindernis für die Richtigstellung des Alters vorhanden gewesen sei und Zeugen in eidesstattlichen Aussagen erklärt hätten, der Kläger sei ihnen infolge Freundschaft oder Verwandtschaft bekannt und 1939 geboren; das Geburtsdatum im Personenstandsregister sei fälschlicherweise unrichtig eingetragen.

Durch Bescheid vom 01.10.1996 lehnte die Beklagte den Antrag ab mit der Begründung, es bestehe keine Rechtsgrundlage für eine Änderung der Versicherungsnummer außerhalb eines Leistungsverfahrens; der Beschluß des türkischen Gerichtes sei für sie nicht bindend. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) sei stets und auf Dauer das Geburtsdatum maßgebend, das bei der erstmaligen Vergabe der Versicherungsnummer den damals gemachten Angaben und vorgelegten ausländischen Urkunden entspreche. Späterem Vorbringen eines Versicherten, die Versicherungsnummer beruhe auf unrichtigen Personenstandsdaten, müsse sie selbst dann nicht nachgehen, wenn der Versicherte sein Vorbringen durch Personenstandsunterlagen aus dem Herkunftsland belege. Dies ergebe sich aus der Ordnungsfunktion der Versicherungsnummer. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 21.04.1997).

Deswegen erhob der Kläger am 26.05.1997, einem Montag, Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Zur Begründung trug er im wesentlichen vor, er habe im Wege des Datenschutzes einen Anspruch auf korrekte Speicherung seiner personenbezogenen Daten. Der Anspruch ergebe sich unmittelbar aus § 1 Abs. 5 Satz 2 der Verordnung über die Vergabe und Zusammensetzung der Versicherungsnummer (VNrV) und § 20 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Der Versicherungsnummer komme, entgegen der Ansicht der Beklagten, nicht nur eine Ordnungsfunktion zu. Soweit sich die Beklagte auf die fehlende Bindungswirkung des Urteils des LG Istanbul berufe, stehe dies im Gegensatz zu ihren Ermittlungshandlungen. Indem sie ihn - den Kläger - zur Vorlage von Unterlagen aufgefordert habe, habe sie die Bereitschaft gezeigt, eine Neufeststellung über sein Geburtsdatum zu treffen. Durch die nachfolgende Ablehnung seines Antrages werde er als Ausländer gegenüber deutschen Versicherten ungleich behandelt.

Durch Urteil vom 16.06.1998, den Prozeßbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 23.06.1998 zugestellt, wies das SG die Klage ab: Jedenfalls außerhalb eines Leistungsverfahrens bestehe für den geltend gemachten Anspruch keine Rechtsgrundlage. Nach der Rechtsprechung des BSG habe die Versicherungsnummer lediglich eine Ordnungsfunktion; § 1 Abs. 5 Satz 2 VNrV enthalte kein subjektiv einklagbares Recht auf Änderung der Versicherungsnummer (Hinweis auf BSG vom 21.02.1996 - 5 RJ 82/95 -). Ein solcher Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 84 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X), der als lex specialis § 20 BDSG vorgehe...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge