Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Schülerbeförderungskosten. Bindung des Sozialhilfeträgers an die Entscheidung der Schulverwaltung über den Besuch einer bestimmten Schule oder Schulart. Übertragung des Wahl- und Bestimmungsrechts auf die Eltern

 

Leitsatz (amtlich)

Hat das Schulamt die Bestimmung der Beschulungsform den Eltern als den gesetzlichen Vertretern überlassen, dann ist das diesen vom Schulamt eingeräumte Wahl- und Bestimmungsrecht vom Träger der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe hinsichtlich der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung in Form der Gewährung von Schülerbeförderungskosten hinzunehmen.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts K. vom 28. November 2014 aufgehoben. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 29. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Januar 2014 verurteilt, dem Kläger für den Besuch der K.-S.-Schule in K. im Schuljahr 2013/2014 Fahrtkosten in Höhe von 2.362,00 Euro zu gewähren.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Übernahme von weiteren Fahrtkosten für den Schulbesuch des Klägers in einer in freier Trägerschaft geführten Inklusionsschule im Rahmen der Eingliederungshilfe im Schuljahr 2013/2014.

Der 2004 geborene Kläger ist auf Grund eines Down-Syndroms (Trisomie 21), eines Herzfehlers (kompletter Vorhof-Septumdefekt, multiplen Ventrikelseptumdefekte) sowie eines Lungenbluthochdrucks von Geburt an geistig und körperlich behindert. Es bestehen behinderungsbedingt eine erhebliche Einschränkung der geistig-kognitiven Fähigkeiten, eine Sprachentwicklungsverzögerung und ein Bewegungsdrang mit Weglauftendenz; der Kläger verfügt über kein Gefahrenbewusstsein. Seit 23. Juni 2004 sind ein Grad der Behinderung von 100 und die Merkzeichen “G„, “B„ und “H„ festgestellt; in der Pflegeversicherung erfolgte in der streitbefangenen Zeit eine Zuordnung zur Pflegestufe I. Der Beklagte gewährte dem Kläger in der Zeit vom 1. Dezember 2007 bis 31. Juli 2011 Leistungen der Eingliederungshilfe für den Besuch des evangelischen Regelkindergartens “U. d. K.„ in K.-U. (Bescheide vom 8. November 2007, 14. Juli 2008, 15. Dezember 2009 und 30. September 2010).

Noch während des Kindergartenbesuchs nahmen die Eltern des Klägers wegen der gewünschten inklusiven Beschulung Kontakt zum Staatlichen Schulamt K. (i.F.: Schulamt) auf, meldeten ihren Sohn jedoch bereits im Mai 2011 an der vom Wohnort 30 km entfernten K.-S.-Schule (i.F.: K.-St.-Schule) in K.-H. an, einer Freien Schule auf der Grundlage der Pädagogik Rudolf Steiners (Waldorfpädagogik) am Parzival-Schulzentrum (i.F.: P.-Schulzentrum), welche ab dem Schuljahr 2011/2012 zwei Inklusionsklassen eingerichtet hatte. Nachdem das Schulamt durch Bescheid vom 1. September 2011 festgestellt hatte, dass der Kläger Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot habe und für ihn an der K.-B.-Schule (i.F.: K.-B. Schule), einer Schule für Geistigbehinderte in B., ein Schulplatz zur Verfügung stehe, jedoch eine Beschulung an der K.-St.-Schule gewünscht werde, besuchte der Kläger ab dem Schuljahr 2011/2012 die K.-St.-Schule als sog. “Inklusionskind„, wo er zieldifferent nach dem entsprechenden Bildungsplan unterrichtet wurde. Der Beklagte übernahm nach Einholung eines Berichts der Sonderpädagogischen Förderstelle ab dem 1. Oktober 2013 zunächst bis Ende des Schuljahres 2013/2014 (31. Juli 2014) die Kosten für eine Schulbegleitung im Rahmen der Eingliederungshilfe sowie nachfolgend auch für das Schuljahr 2014/2015 (vgl. Bescheide vom 2. Oktober 2013 und 11. Juli 2014).

Für die ersten beiden Schuljahre (2011/2012, 2012/2013) trug die Stadt K. (i.F.: Stadt K.) die Kosten für die Beförderung des Klägers von dessen Wohnort zur K.-St.-Schule mittels eines von ihr beauftragten Transportunternehmens. Ab dem Schuljahr 2013/2014 sah sie sich zur Kostentragung über den Höchstbetrag in Höhe von 770,00 Euro unter Berufung auf ihre Satzung über die Erstattung der notwendigen Beförderungskosten für Schülerinnen und Schüler (i.F.: Schülerbeförderungskosten-Satzung) außerstande. Die Beförderung des Klägers erfolgte darauf ab diesem Schuljahr durch dessen Mutter im privaten Kraftfahrzeug. Durch Bescheid vom 8. Oktober 2013 teilte die Stadt K. den Eltern mit, dass sie für die Benutzung des privaten Kraftfahrzeugs zur Beförderung des Klägers die nachgewiesenen Fahrtkosten mit 18,00 Euro/Fahrtag (30 km x 0,15 Euro/km = 4,50 km à vier Fahrten) erstatte, jedoch nur noch bis zu höchstens 770,00 Euro.

Nachdem die Stadt K. die Eltern des Klägers bereits zuvor darüber informiert hatte, dass die Schülerbeförderungskosten ab dem Schuljahr 2013/2014 nicht mehr übernommen würden, wandte sich dessen Mutter am 19. Februar 2013 telefonisch an den beklagten Landkreis. Am 12. März 2013 beantragten die Eltern bei dem Beklagten für ihren Sohn schriftlich die Übern...

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