Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH. Betriebsprüfung steht Einleitung eines Statusverfahrens nur entgegen, wenn das konkrete Beschäftigungsverhältnis Gegenstand der Betriebsprüfung war. Verwaltungsverfahren zur Durchführung einer freiwilligen Krankenversicherung und Kontenklärungsverfahren sind keine Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung nach § 7a Abs 1 S 1 SGB 4. mitarbeitender Gesellschafter mit Anspruch auf Tantieme und festes Monatsgehalt. unternehmerisches Risiko. Verstoß gegen Stimmbindungsvereinbarung. Wirksamkeit des Gesellschaftsbeschlusses. Bedeutung einer Stimmbindungsvereinbarung zwischen Gesellschaftern

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV steht der Einleitung eines Statusverfahrens nach § 7a SGB IV nur dann entgegen, wenn das konkrete Beschäftigungsverhältnis Gegenstand der Betriebsprüfung war.

2. Verwaltungsverfahren zur Durchführung einer freiwilligen Krankenversicherung und Kontenklärungsverfahren bei einem Rentenversicherungsträger sind keine "Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung" iS des § 7a Abs 1 S 1 SGB IV.

3. Der Anspruch eines mitarbeitenden Gesellschafters, der über keine Sperrminorität verfügt, auf eine Tantieme von 20% des Jahresüberschusses der Gesellschaft begründet noch kein unternehmerisches Risiko, wenn der Gesellschafter zudem Anspruch auf ein festes Monatsgehalt hat.

 

Orientierungssatz

1. Der Verstoß gegen eine Stimmbindungsvereinbarung lässt die Wirksamkeit eines Gesellschaftsbeschlusses grundsätzlich unberührt und berechtigt regelmäßig nicht zur Anfechtung des Gesellschafterbeschlusses.

2. Die außerhalb des Gesellschaftsvertrages von den Gesellschaftern getroffene Stimmbindungsvereinbarung ist nicht geeignet, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden “Rechtsmachtverhältnisse„ mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu “verschieben„, weil der Stimmbindungsvertrag von jedem Gesellschafter aus wichtigem Grund gekündigt werden konnte (Anschluss an BSG vom 11.11.2015 - B 12 KR 13/14 R = BSGE 120, 59 = SozR 4-2400 § 7 Nr 26).

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23.10.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren festzustellen, dass der Kläger zu 1) seine Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin zu 2) ab dem 01.01.2000 nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausübt und nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt.

Die Klägerin zu 2) ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts Freiburg (HRB ...) eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Gegenstand des Unternehmens ist die Durchführung und Organisation von Transporten und Logistik-Dienstleistungen aller Art. Gesellschafter der Klägerin zu 2) sind A. B. und J. L. (Kläger zu 1). Auf die Stammeinlage der Klägerin zu 2) in Höhe von 25.000 € brachten Herr B. 15.000 € und der Kläger zu 1) 10.000 € ein. Der Kläger zu 1) ist ausgebildeter Speditionskaufmann, der Mitgesellschafter-Geschäftsführer Herr B. ist von Beruf ursprünglich Fernfahrer. A. B. war zuvor Inhaber eines Einzelunternehmens.

Im Gesellschaftsvertrag vom 02.12.1999 (Bl 14 Verwaltungsakte) wurden der Kläger zu 1) und Herr B. zu Geschäftsführern bestellt und jeweils zur Alleinvertretung unter Ausschluss des Selbstkontrahierungsverbotes ermächtigt. Die Abberufung eines Geschäftsführers ist gemäß § 5 Abs 5 des Gesellschaftsvertrags mit einfacher Stimmenmehrheit möglich. § 7 Abs 1 des Gesellschaftsvertrags sieht für alle sonstigen Gesellschafterbeschlüsse gleichfalls die einfache Stimmenmehrheit vor. Abgestimmt wird nach Geschäftsanteilen. Je 500 € eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme.

Im Geschäftsführervertrag vom 28.12.1999 (Bl 6 Verwaltungsakte) ist ua Folgendes geregelt: Gemäß § 2 Abs 1 ist der Vertrag von jeder Seite ohne weitere Voraussetzungen mit 6-Monatsfrist zum Jahresende kündbar. Nach § 2 Abs 2 ist das Dienstverhältnis außerordentlich kündbar, wenn die Gesellschafterversammlung den Kläger zu 1) als Geschäftsführer abberuft oder wenn er gegen Weisungen der Gesellschafterversammlung schwer verstößt. § 3 bestimmt, dass der Kläger zu 1) ein monatliches Festgehalt von 7.000 DM (seit 01.01.2002 festes Monatsgehalt in Höhe von 5.800 €, Bl 48 Verwaltungsakte), Urlaubs- und Weihnachtsgeld bei Bestand des “Anstellungsverhältnisses„ bis zum Ende des Auszahlungsmonats sowie eine Gewinnbeteiligung von 20 % des steuerpflichtigen Jahresgewinns (vor Körperschafts- und Gewerbesteuer) erhält. § 5 verbietet dem Kläger zu 1) jegliche Nebentätigkeiten ohne vorherige und jederzeit widerrufliche Zustimmung der Gesellschaft. § 7 bestimmt einen 30-tägigen bezahlten Jahresurlaub. § 8 sieht eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für 6 Wochen vor.

Ob die Kläger im Dezember 1999 bei der zuständigen Einzugsstelle einen Antrag auf Klärung des Status des Klägers zu 1) gestellt haben, ist zwischen de...

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