Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für die Genehmigung der Satzungsänderung einer kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung durch die Aufsichtsbehörde. Unzulässigkeit eines satzungsrechtlichen Genehmigungsvorbehalts zugunsten der Vertreterversammlung für alle Einzelverträge nach § 73c Abs. 3 SGB V

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Sind Angelegenheiten des Vertrags(zahn)arztrechts und nicht nur Angelegenheiten der Vertrags(zahn)ärzte betroffen bzw. ist die Abgrenzung zweifelhaft, hat der erkennende Senat in gemischter Besetzung mit einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der (Zahn)ärzte und einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der Krankenkassen zu entscheiden. Eine solche Situation ist gegeben, wenn im Rahmen der Satzung dezentrale, innovative Systemerweiterungen durch systemverändernde Selektivverträge geregelt werden, denn vom Nichtabschluss bzw. dem verzögerten Abschluss solcher Verträge sind nicht nur die (Zahn)ärzte, sondern auch die Krankenkassen und gesetzlich Krankenversicherten betroffen.

2. Ein in der Satzung einer kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung vorgesehener Genehmigungsvorbehalt zugunsten der Vertreterversammlung für (alle) Einzelverträge nach § 73c Abs. 3 SGB V schränkt die gesetzlichen Kompetenzen des Vorstands rechtswidrig ein. Zwar ist die satzungsrechtliche Festlegung von Genehmigungsvorbehalten zugunsten der Vertreterversammlung für bestimmte Verwaltungsentscheidungen des Vorstands zulässig. Nicht zulässig ist es jedoch, die Verwaltungskompetenz des Vorstands durch Satzungsrecht auch für solche Verwaltungsentscheidungen einzuschränken, die dem Bereich der laufenden Geschäfte und nicht dem Bereich der Entscheidungen mit grundsätzlicher Bedeutung für die Körperschaft zugehören. Dass es im Einzelfall schwierig sein kann, für die kassen(zahn)ärztliche Vereinigung grundsätzlich bedeutsame und grundsätzlich nicht bedeutsame Einzelverträge voneinander abzugrenzen, rechtfertigt einen pauschalen Genehmigungsvorbehalt für alle Einzelverträge nicht.

 

Normenkette

SGG § 54 Abs. 3; SGB V § 81 Abs. 1 S. 2, § 73c Abs. 3, § 79 Abs. 3, 5

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.10.2013; Aktenzeichen B 6 KA 48/12 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer aufsichtsbehördlichen Genehmigung gem. § 81 Abs.1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) für eine Satzungsänderung.

Der Beklagte ist die für die Sozialversicherung zuständige oberste Verwaltungsbehörde des Landes Baden-Württemberg und führt gemäß § 78 Abs. 1 SGB V die Aufsicht über die K. V. Die Klägerin ist die für den Bereich des Landes Baden-Württemberg zuständige K. V. (§ 77 Abs. 1 SGB V). Die Aufgaben und Befugnisse von Vertreterversammlung und hauptamtlichem Vorstand (§ 79 Abs. 1 SGB V) sind in §§ 7 und 10 der Satzung der Klägerin (im Folgenden: Satzung) geregelt.

Die §§ 7 und 10 der Satzung hatten vor der streitigen Satzungsänderung (soweit hier von Belang) folgenden Wortlaut:

§ 7 Aufgaben und Befugnisse der Vertreterversammlung

1. Der Beschlussfassung durch die Vertreterversammlung sind neben allen sonstigen durch Gesetz oder Satzung übertragenen Aufgaben insbesondere vorbehalten:

h) Entscheidungen, die für die Körperschaft von grundsätzlicher Bedeutung sind. Dazu gehören insbesondere Grundsatzentscheidungen wie:

aa) Einführung oder Veränderung bestimmter zahnärztlicher Versorgungsstrukturen (z. B. Notfall- und Bereitschaftsdienst),

bb) Einführung bestimmter Strukturen der Qualitätssicherung (z. B. Qualitätszirkel)

§ 10 Aufgaben und Befugnisse des Vorstands

5. Dem Vorstand obliegt insbesondere …

e) der Abschluss, die Änderung und Kündigung folgender Verträge:

aa) Gesamtverträge gem. § 83 SGB V

bb) Honorarverteilungsvereinbarungen gem. § 85 Abs. 4 SGB V

Vor allen Vertragsabschlüssen, Entscheidungen und Maßnahmen nach Buchst e) soll der Landesbeirat gehört werden.

6. Der Abschluss von Gesamtverträgen, die Einstellung von leitenden Angestellten und die Vornahme von Rechtshandlungen, die am Haushaltsplan gemessen über- oder außerplanmäßige Aufwendungen darstellen, sind durch die Vertreterversammlung zu genehmigen.

Am 26.6.2010 fasste die Vertreterversammlung der Klägerin einen Beschluss (u.a.) zur Änderung der §§ 7 und 10 der Satzung. Die Satzungsänderung betrifft den Abschluss von Einzelverträgen (Selektivverträgen) gem. § 73c Abs. 3. SGB V. Sie sieht hierfür einen Genehmigungsvorbehalt der Vertreterversammlung vor. Die §§ 7 und 10 der Satzung sollten (soweit hier von Belang) wie folgt geändert werden (Änderungen in Kursiv- und Fettdruck):

§ 7 Aufgaben und Befugnisse der Vertreterversammlung

1. Der Beschlussfassung durch die Vertreterversammlung sind neben allen sonstigen durch Gesetz oder Satzung übertragenen Aufgaben insbesondere vorbehalten:

..

h) Entscheidungen, die für die Körperschaft von grundsätzlicher Bedeutung sind. Dazu gehören insbesondere Grundsatzentscheidungen wie die Einführung oder Veränderung v...

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