Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunftskosten. selbst genutzte Eigentumswohnung. Haus- bzw Wohngeld mit Instandhaltungsrücklage. Kabelfernsehgebühr. verfassungskonforme Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Kosten der Unterkunft gehört im Falle von Wohneigentum in einer Eigentümergemeinschaft grundsätzlich auch das monatliche Hausgeld (bzw Wohngeld oder Instandhaltungsrücklage /-pauschale).

 

Orientierungssatz

Zu den Unterkunftskosten gehören auch die Kabelgebühren.

 

Tenor

1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23.05.2006

wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist noch im Streit, ob die Beklagte bei der Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) auch die Instandhaltungspauschale bzw. -rücklage (auch “Hausgeld„ bzw. “Wohngeld„ genannt, vgl. hierzu § 16 Abs. 2 Wohnungseigentumsgesetz - WEG -) der Klägerin für dass von ihr selbst genutzte Wohneigentum zu übernehmen hat.

Die Klägerin bewohnt zusammen mit ihrem Ehemann eine 69 qm große 3-Zimmer-Eigentumswohnung. Vor dem Auslaufen ihres Anspruchs auf Arbeitslosengeld zum 22.07.2005 in Höhe von zuletzt 38,10 € täglich beantragte sie die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Sie verwies hierbei auf ihr fehlendes Einkommen und darauf, dass ihr Ehemann eine Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 854,57 € monatlich bezieht. Für die Eigentumswohnung ergaben sich im Jahr 2004 nach der Abrechnung der Hausverwaltung Betriebskosten in Höhe von 2887,52 €, zu denen eine jährliche Kabelgebühr von 76,52 € gehörte. Für ihre Wohnung hat die Klägerin eine monatliche Instandhaltungsrücklage an die Hausverwaltung zu zahlen, die sich zuletzt auf 51,75 € belief. Außerdem entstanden der Klägerin und ihrem Ehemann halbjährliche Kfz-Haftpflichtversicherungskosten in Höhe von 178,80 €.

Die Beklagte lehnte die Gewährung von Leistungen mit Bescheid vom 13.07.2005 ab, wobei sie irrtümlich das zum Zeitpunkt der Antragstellung von der Klägerin noch bezogene Arbeitslosengeld berücksichtigte.

Die Klägerin verwies in ihrem Widerspruch vom 23.07.2005 darauf, dass sie von der Rente ihres Ehemannes alleine nicht leben könne. Es bestünden laufende monatliche Zahlungsverpflichtungen für Versicherungen, Strom, Wasser und Ratenzahlungen in Höhe von ca. 675,-- €.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2005 wies die Beklagte der Widerspruch als unbegründet zurück. Das anzurechnende Gesamteinkommen von 854,57 € übersteige den monatlichen Gesamtbetrag von 804,96 €, der aus 622 € Regelleistung und 182,96 € Nebenkosten einschließlich Heizungskosten bestehe.

Die Klägerin hat deswegen am 17.10.2005 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Im Klageverfahren hat sie die Berücksichtigung einer Versicherungspauschale von 30,-- € monatlich sowie die Kosten eines Mehrbedarfs für die Ernährung bei Diabetes mellitus Typ II sowie Hyperlipidämie IIa in Höhe von 51,13 € geltend gemacht. Außerdem sei ihr ein befristeter Zuschlag nach § 24 SGB II zu gewähren. Der von der Beklagten vorgenommene Abzug von den Warmwasserkosten mit der Begründung, diese seien bereits im Regelsatz enthalten, sei unzulässig.

Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 23.05.2006 unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide verurteilt, der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab dem 23.07.2005 unter Berücksichtigung der monatlichen Instandhaltungspauschale und der monatlichen Kabelgebühren zu bewilligen. Im Rahmen der Regelleistungen lehnte das SG einen krankheitsbedingten Mehrbedarf ab, weil insofern aufgrund der Hypertonie bei Adipositas und des Diabetes mellitus Typ IIb des Ehemannes der Klägerin Reduktionskost erforderlich sei, weshalb ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Erkrankung und einem Mehrbedarf nicht vorliege. Die Gebühren für das Kabelfernsehen seien demgegenüber den Kosten der Unterkunft zuzuschlagen, wobei insofern die tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen seien, sofern diese angemessen seien. Die Kabelgebühren seien vorliegend angemessen, weil die Klägerin als Wohnungseigentümerin innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft keine Möglichkeit habe, die Fälligkeit der Kabelgebühren zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Gleiches gelte für die von der Beklagten nicht berücksichtigte Instandhaltungspauschale. Der Beklagten sei zwar zuzugeben, dass die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nur der Deckung des unmittelbaren Bedarfs dienen sollten und damit immanent verbunden sei, dass eine Vermögensanhäufung außerhalb der in der Regelleistung enthaltenen Beträge zur Bildung von Rücklagen für nicht mehr übernommene einmalige Bedarfe systemwidrig sei. Die Instandhaltungspauschale stelle indes einen Anteil an den Kosten der Unterkunft für Besitzer von Wohnungseigentum dar. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der Wert der Immobilie aufgrund Abnutzung und Alterungserscheinungen kontinu...

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