Entscheidungsstichwort (Thema)

Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs. Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe. private Trunkenheitsfahrt eines Berufskraftfahrers als arbeitsvertragswidriges Verhalten. Führerscheinentzug. verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

Die Voraussetzungen einer Sperrzeit sind bei Verlust der Fahrerlaubnis wegen einer privaten Trunkenheitsfahrt eines als Omnibusfahrer beschäftigten Versicherten grundsätzlich erfüllt. Dies ist als arbeitsvertragswidriges Verhalten zu werten, das ohne vorherige Abmahnung eine fristlose, außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber rechtfertigen kann. Von einer allein zulässigen personenbedingten, keine Sperrzeit begründenden Kündigung ist dabei nicht auszugehen (vgl ebenso LSG Darmstadt vom 22.6.2010 - L 6 AL 13/08).

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Juni 2010 aufgehoben. Die Klage des Klägers wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg) wegen Eintritts einer Sperrzeit von 12 Wochen ruht.

Der 1961 geborene Kläger war seit 18.09.2000 bei der D. B. S. als Omnibusfahrer beschäftigt. In dem (zunächst bis 31.08.2001 befristeten) Arbeitsvertrag vom 18.09.2000 war u.a. vereinbart, dass der Kläger als Omnibusfahrer beschäftigt wird (Nr. 1.1), dass Voraussetzung für eine Tätigkeit als Omnibusfahrer der Besitz der Fahrerlaubnis der Führerscheinklasse D/DE (bzw. Klasse 2 und gültiger Fahrgastbeförderungsschein) ist, sowie, dass z.B. beim Entzug der Fahrerlaubnis die Firma unverzüglich zu informieren und zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses, gegebenenfalls auch zur fristlosen Kündigung, berechtigt ist (Nr. 1.8).

Der Kläger nahm am 11.07.2009 gegen 4:10 Uhr mit seinem Privat-PKW am öffentlichen Straßenverkehr teil, obwohl er infolge des Genusses von alkoholischen Getränken nicht mehr in der Lage war, sein Fahrzeug sicher zu führen. Eine um 4:40 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,95 Promille. Der Führerschein des Klägers wurde beschlagnahmt. Der Kläger wurde mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 30.09.2009 (8 Cs 410 Js 24655/09) - auf der Grundlage eines Strafbefehls vom 12.08.2009 - wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr gemäß §§ 316 Abs. 1 und 2, 69, 69a StGB zu einer Geldstrafe verurteilt. Außerdem wurde ihm die Fahrerlaubnis mit einer Sperrfrist von 8 Monaten entzogen.

Der Arbeitgeber des Klägers kündigte das Arbeitsverhältnis am 20.07.2009 durch außerordentliche, fristlose Kündigung, sowie hilfsweise am 23.07.2009 zum 31.10.2009. Die gegen die außerordentliche, fristlose Kündigung vom Kläger beim Arbeitsgericht Karlsruhe erhobene Kündigungsschutzklage (5 Ca 257/09) blieb mit rechtskräftigem Urteil vom 22.12.2009 ohne Erfolg.

Am 22.07.2009 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 22.07.2009 bei der Agentur für Arbeit Karlsruhe (AA) arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld I (Alg). Mit Bescheid vom 25.08.2009 stellte die AA den Eintritt einer Sperrzeit vom 21.07.2009 bis 12.10.2009 (12 Wochen) sowie eine Minderung der Anspruchsdauer auf Alg um 90 Tage fest. Mit Bescheid vom 25.08.2009 bewilligte die AA dem Kläger Alg ab 13.10.2009 bis 11.07.2010 in Höhe von täglich 38,73 €.

Gegen den Bescheid vom 25.08.2009 legte der Kläger wegen des Eintritts einer Sperrzeit am 01.09.2009 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 07.09.2009 zurückgewiesen wurde.

Hiergegen erhob der Kläger am 09.09.2009 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Er machte zur Begründung geltend, er habe die Arbeitslosigkeit nicht vorsätzlich und auch nicht grob fahrlässig herbeigeführt. Er sei für sein Fehlverhalten im privaten Bereich bestraft worden. Eine weitere Bestrafung durch die Verhängung einer Sperrzeit von 12 Wochen würde eine besondere Härte bedeuten. Die Sperrzeit sei aufzuheben oder mindesten zu verkürzen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Der Kläger habe gewusst, dass der Entzug der Fahrerlaubnis die Kündigung nach sich ziehen werde. Er habe die Arbeitslosigkeit grob fahrlässig herbeigeführt. Er habe davon ausgehen müssen, dass er den Arbeitsplatz verliere, wenn ihm die Fahrerlaubnis entzogen werde. Eine besondere Härte liege nicht vor.

Mit Urteil vom 17.06.2010 verurteilte das SG die Beklagte, dem Kläger Alg ohne Sperrzeit ab dem 21.07.2009 zu zahlen. Es führte zur Begründung aus, der Kläger habe sich nicht arbeitsvertragswidrig verhalten. Eine private Trunkenheitsfahrt, die zwar zum Verlust der Fahrerlaubnis führe, aber nicht dazu, wegen fortwirkender Alkoholisierung die Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß erbringen zu können, stelle keine Verletzung des Arbeitsvertrages war. Dieser enthalte kein Gebot, sich auch in der Freizeit abstinent zu verhalten. Eine Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe komme im Übrigen nur dann in Betracht, wenn das Verhalten des Kläger...

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