Entscheidungsstichwort (Thema)

Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. keine Anrechnung auf Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Anrechnung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ergibt sich keine Rechtsgrundlage, nachdem gem § 18a Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 4 - eingefügt zum 1.1.2002 - steuerfreie Einnahmen nach § 3 EStG als Einkommen nicht zu berücksichtigen sind und die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, auch die Verletztenrente, gem § 3 Nr 1 Buchst a EStG steuerfrei sind.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.04.2012; Aktenzeichen B 13 R 15/11 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. Dezember 2008 sowie der Bescheid der Beklagten vom 8. April 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2008 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab 1. April 2008 große Witwerrente ohne Anrechnung der Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte hat dem Kläger zwei Drittel seiner außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Anrechnung seiner Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf seine Witwerrente.

Der 1933 geborene Kläger war mit der 1928 geborenen und 2007 verstorbenen Versicherten M. N. (M.) bis zu deren Tod verheiratet.

Der Kläger, der in der Zeit ab 1.7.2007 von der Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg eine eigene Altersrente in Höhe von 1.118,32 € (Zahlbetrag 1.008,17 laut Rentenanpassungs-Mitteilung zum 1.7.2007) und von der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG) eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. in Höhe von monatlich 675,71 € (Mitteilung vom 23.6.2007) bezog und diese Renten weiter bezieht, beantragte am 22.12.2007 bei der Beklagten die Gewährung einer Witwerrente.

Mit Bescheid vom 8.4.2008 gewährte die Beklagte dem Kläger ab 1.1.2008 eine große Witwerrente und verfügte, dass die Rente ab 1.4.2008 nicht zu zahlen sei. Zur Begründung führte sie aus, die Rente sei wegen des Zusammentreffens mit anderen Leistungen nicht zu zahlen. Dabei errechnete sie eine monatliche Witwerrente von 549,98 € (Zahlbetrag 495,81 €) für die Zeit ab 1.1.2008 (Rentenartfaktor 1,0) und von 329,99 € ab 1.4.2008 (Rentenartfaktor 0,6).

Als anzurechnendes Einkommen berücksichtigte sie die Altersrente des Klägers (monatlicher Zahlbetrag von 1.008,17 € abzüglich 3 % bzw. 30,25 €) in Höhe von 977,92 € sowie die Verletztenrente (675,71 € abzüglich 2/3 der Mindestgrundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz [BVG] bei einer MdE um 20 vH, d.h. abzüglich 79,33 €) in Höhe von 596,38 €, insgesamt 1.574,30 €. Ferner führte sie aus, das Einkommen übersteige den Freibetrag von 693,53 € (das 26,4-fache des aktuellen Rentenwertes von 26,27 €) um 880,77 €. Davon seien 40 %, d.h. 352,31 €, ab 1.1.2008 anzurechnen.

Hiergegen legte der Kläger am 21.4.2008 Widerspruch ein und begehrte die Auszahlung der Rente in Höhe von 329,99 € ab 1.4.2008 (nebst 4 % Zinsen ab 1.9.2008). Zur Begründung trug er vor, bei der Verletztenrente handle es sich um eine steuerfreie Einnahme nach § 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die gem. § 18a Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) nicht zu berücksichtigen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.9.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, auf die Rente wegen Todes sei nach § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB IV i.V.m. § 97 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung anzurechnen. Die Steuerfreiheit dieser Leistung bedeute nicht, dass diese nicht auf die Rente wegen Todes anzurechnen sei. Die Anrechnung sei damit rechtmäßig.

Hiergegen hat der Kläger am 2.10.2008 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben, mit der er die Auszahlung der großen Witwerrente ab 1.4.2008 in Höhe von 329,99 € (nebst 4 % Zinsen seit 1.9.2008) weiterverfolgt hat. Er hat vorgetragen, bei der Verletztenrente handle es sich weder um Einkommen noch um Erwerbsersatzeinkommen, sondern um Schadensersatz. Die Anrechnung der Verletztenrente auf die Witwerrente sei deswegen nicht rechtmäßig.

Mit Gerichtsbescheid vom 11.12.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach § 18a Abs. 3 Nr. 4 SGB IV stelle die Verletztenrente der Unfallversicherung, soweit sie den Betrag übersteige, der bei gleichem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Grundrente nach § 31 i.V.m. § 84a Satz 1 und 2 des BVG gezahlt würde, Erwerbsersatzeinkommen dar. Entgegen der Auffassung des Klägers falle darunter auch eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, wie er sie beziehe. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen den am 15.12.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 7.1.2009 Berufung eingelegt, sein bisheriges Vorbringen ...

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