Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Sozialdatenschutz. Löschungsanspruch gem § 84 Abs 2 S 1 SGB 10. Abgrenzung zwischen Gutachten und beratungsärztlicher Stellungnahme. HVBG-Rundschreiben 006/2003. Fallgruppen für Tätigkeitsbereiche beratender Ärzte

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die nach § 200 Abs 2 SGB 7 gebotene Abgrenzung von Gutachten und beratungsärztlicher Stellungnahme verlangt ein Abstellen auf eine Kombination äußerer und innerer Faktoren. Inhaltlich liegt ein Gutachten nur dann vor, wenn vornehmlich eine eigenständige Bewertung der verfahrensentscheidenden Tatsachen im Sinne einer eigenen Beweiserhebung erfolgt und dies die ärztliche Äußerung prägt; während eine beratende Stellungnahme sich im Wesentlichen mit einem aktenkundigen (Vor-)gutachten im Sinne einer Beweiswürdigung auseinandersetzt.

2. Erweist sich eine getroffene gutachterliche Aussage wie in einer Beweiswürdigung folgerichtig nur als Ergebnis einer kritischen Auseinandersetzung mit dem zu besprechenden Gutachten, handelt es sich nicht um ein Gutachten. Weiter rechtfertigen eigenständige Überlegungen, die ohne Anknüpfung an Vorgutachten oder an die Aktenlage eingeführt werden, die Annahme eines Gutachtens auch dann nicht, wenn auf diese Überlegungen keine gutachterlichen Schlussfolgerungen gestützt werden.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom

22. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine von der Beklagten eingeholte und in ihren Akten dokumentierte Äußerung von Dr. Tä. vom 19.04.2011 aus den Verwaltungsakten der Beklagten zu entfernen ist.

Der 1940 geborene Kläger arbeitete zuletzt als (selbständiger) Estrich- und Fußbodenleger. Der Kläger bezieht in Folge eines Arbeitsunfalles am 28.04.1988 seit 01.02.1989 eine Rente nach einer MdE von 20 v. H.. Im Übrigen begehrte der Kläger in der Vergangenheit in verschiedenen Verfahren erfolglos Rentenleistungen (dazu vgl. beim Landessozialgericht Baden-Württemberg z.B. L 10 U 1008/98 und L 10 U 1921/02).

Am 23.09.2009 machte der Kläger erneut Leistungen wegen einer Erkrankung an der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit (BK) Nr. 2108 der Berufskrankheitenverordnung (BKV -) geltend. Die Beklagte holte vom Präventionsdienst die Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 26.01.2010 ein, mit dem Ergebnis, dass der für die BK Nr. 2108 BKV erforderliche Richtwert erreicht sei. Außerdem erstellte der Chirurg Dr. K. am 12.08.2010 für die Beklagte ein Gutachten (Gutachtensauftrag vom 07.04.2010 auf Vorschlag des Klägers). Dr. K. gelangte zu dem Ergebnis, beim Kläger liege die Konstellation B 1 der Konsensempfehlungen und damit ein belastungskonformes Schadensbild vor. Der Verlauf der Erkrankung spreche für einen wesentlichen Ursachenzusammenhang. Er empfahl die Anerkennung der Lendenwirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit. Die Beklagte holte zum Gutachten des Dr. K. die “Beratungsärztliche Stellungnahme„ des Dr. Th. vom 07.11.2010 ein. Er beantwortete die Fragen der Beklagten, setzte sich mit der Frage der Kausalität auseinander und gab an, dass angesichts der Erkrankungen die Fallkonstellation D2 vorliege, weshalb ein Ursachenzusammenhang nicht wahrscheinlich sei. Der Kläger beantragte gemäß § 84 Abs. 2 SGB X die Herausnahme der Stellungnahme des Dr. Th. aus den Akten (Schriftsatz vom 02.02.2011). Mit Bescheid vom 24.02.2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK Nr. 2108 BKV sowie den Antrag des Klägers auf Herausnahme der beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. Th. vom 08.11.2010 jeweils ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.2011 zurück. Hiergegen erhob der Kläger am 15.07.2011 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage (S 6 U 2597/11), das das auf Herausnahme der Stellungnahme von Dr. Th. gerichtete Klagebegehren des Klägers auf dessen Antrag (Schriftsatz vom 14.08.2012) mit Beschluss vom 20.08.2012 abtrennte und unter dem Aktenzeichen S 6 U 2705/12 fortführte; mit Beschluss vom 04.01.2013 wurde die Klage S 6 U 2597/11 ausgesetzt. Mit Gerichtsbescheid vom 07.01.2013 (S 6 U 2705/12) verurteilte das SG die Beklagte, die medizinische Äußerung von Dr. Th. vom 08.11.2010 aus den Akten zu entfernen. Auf die hiergegen von der Beklagten beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegten Berufung wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 25.10.2013 (L 8 U 541/13) der Gerichtsbescheid des SG vom 07.01.2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Inzwischen hatte sich die Beklagte mit Schreiben vom 06.04.2011 unter Übersendung der Verwaltungsakten sowie radiologischer Befundunterlagen an Dr. Schr. mit der Bitte um beratungsärztliche Stellungnahme zur Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes gewandt und um die Beantwortung bestimmter Fragen gebeten. Mit dem mit Briefkopf der Beklagten versehenen Schreiben vom 19.04.2011 legte Dr. T...

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