Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 307d Abs 1 Nr 1 SGB 6. Adoptiveltern. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 13 R 2/17 R

 

Orientierungssatz

Zur Verfassungsmäßigkeit des § 307d Abs 1 Nr 1 SGB 6 und zur Frage, ob durch diese Regelung eine Ungleichbehandlung von Adoptiveltern vorliegt.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. März 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung eines Zuschlags an persönlichen Entgeltpunkten für zwei Kinder (P. G. und F.), für die sie eine Kindererziehungszeit mangels Erziehung im ersten Jahr nach Ablauf des Monats der Geburt nicht anerkannt bekommen hat.

Die 1944 geborene Klägerin hat zusammen mit ihrem Ehegatten vier Kinder adoptiert, den im September 1973 geborenen P. G., den in Dezember 1973 geborenen F., den 1976 geborenen R. J. sowie die 1977 geborene L. J. (siehe Bl. 36 ff, 248 der Verwaltungsakten der Beklagten). Die Klägerin hat P. G. seit 19. Juli 1975 erzogen, F. ab 15. März 1975, R. J. ab 2. Juli 1976 sowie L. J. ab 10. März 1978. Mit Ausnahme von R. J. waren die Kinder zuvor in Heimen bzw. anderen Pflegefamilien untergebracht.

Die Klägerin bezieht von der Beklagten ab April 2009 eine Regelaltersrente (Rentenbescheid vom 21. Januar 2009). Hierbei berücksichtigte die Beklagte für R. J. Kindererziehungszeiten vom 1. Juli 1976 bis 30. Juni 1977 sowie für L. J. Kindererziehungszeiten vom 1. März bis 31. Oktober 1978, für P. G. und F. keine.

Mit Rentenbescheid vom 8. September 2014 berechnete die Beklagte die Regelaltersrente ab 1. Juli 2014 neu und berücksichtigte hierbei einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für zwei Kinder in Höhe von zwei Entgeltpunkten. Die Regelaltersrente erhöhte sich auf 410,84 €. Am 17. September 2014 erhob die Klägerin hiergegen Widerspruch und machte auch für P. G. und F. einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten geltend. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ein Zuschlag gemäß § 307d Abs. 1 SGB VI könne nur berücksichtigt werden, wenn eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt eines vor dem 1. Januar 1992 geborenen Kindes angerechnet worden sei. Für die Adoptivkinder P. G. und F. seien Kindererziehungszeiten nicht anerkannt worden, da die Haushaltsaufnahme erst nach Ablauf des zwölften Kalendermonats nach Ablauf des Monats der Geburt erfolgt sei.

Am 17. November 2014 hat die Klägerin hiergegen Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und die Diskriminierung der Adoptivmütter gerügt. Auf Nachfrage des SG hat die Klägerin mitgeteilt, dass ihr Ehemann an einer fortschreitenden demenziellen Erkrankung leide und an einem Gerichtsverfahren nicht teilnehmen könne. Er habe ihr notariell die Generalvollmacht erteilt. Sie hat ihre Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht sowie dessen Mitteilung vom 29. Januar 2015 vorgelegt. Mit Gerichtsbescheid vom 10. März 2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz sei nicht einzuholen, da das Gericht nicht von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Norm überzeugt sei. § 307d Abs. 1 SGB VI sehe einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind nur vor, wenn in der Rente eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde. Der Ausschluss des Zuschlages für Kinder, die erst nach Ablauf des zwölften Kalendermonats nach Ablauf des Monats der Geburt in den Haushalt aufgenommen wurden, wirke wie eine Stichtagsregelung, die zwar gewisse Härten mit sich brächten, aber hier verfassungsrechtlich zulässig sei. Die Wahl des Zeitpunktes müsse sich am Sachverhalt orientieren. Der Zuschlag stehe aus Praktikabilitätsgründen dem Elternteil zu, dem der letzte Monat an Kindererziehungszeit zugeordnet worden sei. Um die reibungslose Umsetzung der Einbeziehung auch des Rentenbestandes in die verbesserte Anrechnung von Kindererziehungszeiten für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, zu gewährleisten, sei eine pauschale Anrechnung vorgenommen worden, die an bereits im Versicherungsverlauf enthaltene Daten anknüpfe.

Gegen den am 13. März 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 24. März 2015 Berufung eingelegt und geltend gemacht, auch für Adoptivmütter gebe es ein erstes Jahr, in dem sie Mutter des Kindes würden. Hätten sie die vier Kinder nur in Pflege genommen, hätte dies den Staat eine wesentlich höhere finanzielle Belastung gekostet. Als Mutter von vier adoptierten Kindern fühle sie sich den Müttern leiblicher Kinder nicht gleichgestellt. Für den als Säugling aufgenommenen R. J. erhalte sie den Kinderzuschlag, für die viel schwierigeren Erziehungs...

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