Entscheidungsstichwort (Thema)

Ruhen des Arbeitslosengeldes. Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe. Aufhebungsvertrag nach rechtmäßiger betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung. wichtiger Grund. keine Überschreitung der Abfindungshöhe nach § 1a Abs 2 KSchG

 

Leitsatz (amtlich)

Es tritt keine Sperrzeit ein, wenn der Arbeitnehmer nach arbeitgeberseitiger Kündigung einen Aufhebungsvertrag schließt, wenn die Arbeitgeberkündung rechtmäßig gewesen wäre und die gewährte Abfindung den Betrag nach § 1a KSchG nicht übersteigt.

 

Orientierungssatz

Auch bei ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern ist eine betriebsbedingte außerordentliche Kündigung (mit einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden sozialen Auslauffrist) möglich, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber nach § 314 Abs 1, § 626 Abs 2 BGB nicht mehr zugemutet werden kann, weil der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers ersatzlos weggefallen ist, eine anderweitige Beschäftigung im Unternehmen nicht möglich ist und der Arbeitgeber daher ohne die Kündigung gezwungen wäre, ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis durch weitere Gehaltszahlungen ohne Gegenleistung (§ 615 BGB) über einen längeren Zeitraum fortzusetzen.

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 22. September 2010 wird zurückgewiesen.

2. Die Klage der Klägerin, die Beklagte zur Gewährung von Arbeitslosengeld nach den gesetzlichen Vorschriften für die Zeit vom 01. Juli bis 22. September 2008 zu verurteilen, wird als unzulässig abgewiesen.

3. Die Beklagte erstattet der Klägerin die außergerichtlichen Kosten der Berufungsinstanz.

 

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen einen Gerichtsbescheid, mit dem sie verpflichtet wurde, einen Bescheid über die Feststellung einer Sperrzeit aufzuheben.

Die am … 1948 geborene Klägerin war seit dem 17.09.1973 bei der D. ... Stiftung & Co. KG (im Folgenden: Unternehmen) als Bestückerin beschäftigt. Das letzte Monatsgehalt (Mai 2008) betrug brutto € 2.544,37.

Mit Schreiben vom 29.11.2007 kündigte das Unternehmen die Klägerin “aus betriebsbedingten Gründen außerordentlich mit sozialer Auslauffrist entsprechend der tariflichen ordentlichen Kündigungsfrist„ zum 30.06.2008. In dem Kündigungsschreiben war ausgeführt, der Bereichsvorstand des Unternehmens habe beschlossen, das noch im Bereich Mechanik beschäftigte Personal “dem Auftragsbestand und den noch benötigten Fertigungskapazitäten anzupassen„. Davon sei auch der Arbeitsplatz der Klägerin betroffen. Nach den Planzahlen entfalle die für ihren Arbeitsbereich entsprechende Arbeit spätestens zum Ende des ersten Halbjahrs 2008. Das Unternehmen verwies auf den mit seinem Gesamtbetriebsrat unter dem 07.08.2005 vereinbarten Interessenausgleich und eine auf einer Betriebsvereinbarung beruhende Auswahlrichtlinie vom 10.08.2005 nebst Durchführungsvereinbarung vom 05.09.2005. Unter der Voraussetzung, dass keine Kündigungsschutzklage erhoben werde, erfolge “die Auszahlung der Abfindung (…) mit der letzten Monatsabrechnung„.

Unter dem 07.12.2007 schlossen das Unternehmen und die Klägerin einen Aufhebungsvertrag. Sie verständigten sich darauf, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf Veranlassung des Unternehmens aus betriebsbedingten Gründen unter Einhaltung der Kündigungsfrist am 30.06.2008 enden werde. Das Unternehmen sagte der Klägerin “wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes„ eine einmalige Abfindung von € 26.500,00 brutto auf Basis des Interessenausgleichs und des Sozialplans zu.

Die Klägerin meldete sich am 26.05.2008 mit Wirkung zum 01.07.2008 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg).

Mit Bescheid vom 23.06.2008, der eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung enthielt, aber nicht angefochten wurde, stellte die Beklagte eine Sperrzeit vom 01.07. bis 22.09.2008 und das Ruhen des Anspruchs auf Alg in dieser Zeit fest. Die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags selbst gelöst. Hierbei sei unerheblich, ob die Initiative hierzu von ihr oder dem Unternehmen ausgegangen sei. Die Klägerin habe auf die Aufforderung der Beklagten, die Gründe für ihr Verhalten mitzuteilen, nicht reagiert.

Am 15.09.2008 meldete sich die Klägerin erneut arbeitslos und beantragte Alg. Dieses wurde ab dem 23.09.2008 bewilligt.

Mit Bescheid vom 15.09.2008 stellte die Beklagte fest, der Anspruch der Klägerin auf Alg sei um 14 Tage vermindert, weil die Klägerin vom 30.08. bis 12.09.2008 wegen Urlaubs nicht verfügbar gewesen sei. Diesen Bescheid hob die Beklagte später in einem Überprüfungsverfahren am 22.06.2009 wieder auf. Mit weiterem Bescheid vom 29.12.2008 stellte die Beklagte eine Sperrzeit vom 01. bis 21.11.2008 fest, weil die Klägerin auf einen zumutbaren Vermittlungsvorschlag vom 15.10.2008 nicht reagiert habe.

Mit Schreiben vom 28.05.2009, bei der Beklagten am 19.06.2009 eingegangen, beantragte die Klägerin bei der Beklagten im Zugunstenverfahren die Überprüfung des Bescheids vom 23.06.2008. Sie führte aus, es sei keine ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge