Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistungen. Bindungswirkung der Eingliederungsvereinbarung. keine Förderungsfähigkeit nach SGB 3 der vereinbarten Maßnahmen. Voraussetzungen der Gesetzeswidrigkeit bzw Nichtigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. In einer Eingliederungsvereinbarung kann sich der Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende auch zur Förderung von Maßnahmen verpflichten, die in Anwendung der Vorschriften über die Förderung beruflicher Aus- und Weiterbildung nach dem SGB 3 nicht förderungsfähig wären.

2. Die Eingliederungsvereinbarung ist als rechtlich verbindlicher subordinationsrechtlicher öffentlich-rechtlicher Vertrag ungültig, wenn Leistungszusagen gegen ein Verbotsgesetz verstoßen (§ 134 BGB entspr). Aus dem differenzierten Regelungsgefüge des § 58 SGB 10 ist zu schließen, dass nicht jede Rechtsnorm als ein Verbotsgesetz anzusehen ist. Aus § 58 Abs 2 SGB 10 folgt, dass Nichtigkeit einer Eingliederungsvereinbarung nicht schon deshalb anzunehmen ist, weil ein Verwaltungsakt mit entsprechender Leistungsbewilligung rechtswidrig wäre, weil er nicht den Vorschriften des § 16 SGB 2 iVm §§ 77ff SGB 3 entspricht. Dies gilt vielmehr erst bei bewusstem und gewolltem Zusammenwirken der Vertragsparteien, um den rechtswidrigen Erfolg herbeizuführen.

 

Orientierungssatz

1. Mit dem Vorliegen eines Bildungsgutscheins wird allein das Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen für die Förderung von Weiterbildungsmaßnahmen bestätigt (§ 16 Abs 1 SGB 2 iVm § 77 Abs 3 SGB 3). Die vom Inhaber des Bildungsgutscheins ausgewählte Maßnahme kann jedoch nur dann gefördert werden, wenn neben der Übereinstimmung mit den im Bildungsgutschein genannten Kriterien auch die weiteren Voraussetzungen für die Förderung von Weiterbildungsmaßnahmen vorliegen. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn es sich bei der Maßnahme nicht um eine berufliche Weiterbildung iS von §§ 77ff SGB 3, sondern um eine Berufsausbildung gem §§ 59ff SGB 3 handelt. Nach BAföG förderungsfähige schulische Ausbildungsmaßnahmen sind wiederum von den Berufsausbildungsmaßnahmen iS des § 60 Abs 1 SGB 3 abzugrenzen.

2. Die Eingliederungsvereinbarung erzeugt für die Leistungsträger Bindungswirkung an die vertraglichen Leistungszusagen in dem Umfange, den sie darin zugestanden haben. Je nach Konkretisierung der Vertragsregelung sind nach Grund, Umfang und Zeitpunkt bestimmte Leistungen der Eingliederung in Arbeit bereits unmittelbar durch Vertrag bewilligt, so dass der Hilfebedürftige einen unmittelbaren Vertragserfüllungsanspruch hat oder es sind die getroffenen Abreden als Zusicherung iS von § 34 SGB 10 zu werten, die näher bestimmten Leistungen zu erbringen. Damit sind die zugesagten Leistungen zu erbringen, sofern sich die Sach- und Rechtslage nicht iS der § 34 Abs 3, § 59 SGB 10 wesentlich geändert hat.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Förderung einer Ausbildung zur Ergotherapeutin durch die Beklagte.

Die ...1975 geborene Klägerin verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Zuletzt war sie als Verwaltungsangestellte versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 29. Januar bis 7. März 2004 musste die Klägerin wegen Angstattacken stationär in B.D. behandelt werden. Anschließend kündigte sie aus gesundheitlichen Gründen ihre Stelle als Verwaltungsangestellte zum 30. April 2004. Die Klägerin bezog Arbeitslosengeld (Alg) bis 29. April 2005 und Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ab 1. Mai 2005. Eine psychologische Eignungsbeurteilung für die Tätigkeit als Ergotherapeutin erfolgte am 7. November 2005. In der Zeit vom 11. Januar bis 10. Februar 2006 durchlief die Klägerin mit Erfolg eine entsprechende Eignungsfeststellung/Trainingsmaßnahme. Ab 2. Mai 2006 war sie im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit im Altenheim St. E. in H. tätig (1-Euro-Job).

Am 21. Juli 2006 schlossen die Klägerin und die Beklagte eine Eingliederungsvereinbarung mit dem Zwischenziel/Ziel: Umschulung zur Ergotherapeutin. Als Leistung der Agentur für Arbeit Schwetzingen war aufgeführt: “Wir unterstützen Sie mit der Förderung einer Umschulung zur Ergotherapeutin in den ersten zwei Jahren der Ausbildung unter der Voraussetzung, dass die Finanzierung des dritten Jahres der Umschulung sicher gestellt ist.„ Die Klägerin versicherte in der Eingliederungsvereinbarung, dass die Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres sichergestellt sei, Nachweise lägen vor. Am gleichen Tag stellte die Beklagte einen bis 21. Oktober 2006 gültigen Bildungsgutschein (Nr. 644A600530-2) aus für die Übernahme von zwei Dritteln der zugelassenen Lehrgangskosten einer bis zu 24 Monate einschließlich eines notwendigen Betriebspraktikums dauernden Weiterbildung mit dem Bildungsziel “Ergotherapeut/in/Umschulung zur Ergotherapeut/in„ in V...

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