Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Tätigkeit als Altenpflegerin für eine Sozialstation. Vertrag über freie Mitarbeit. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Altenpflegerin ist in ihrer Tätigkeit für eine Sozialstation nicht abhängig beschäftigt, wenn sie selbst bestimmen kann, welche Einsätze ("frühe" oder "späte" Tour) sie übernimmt, für Hausbesuche bei Patienten den eigenen Pkw benützt und nicht verpflichtet ist, über die Pflegearbeiten hinausgehende administrative oder organisatorische Tätigkeiten durchzuführen.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 13.07.2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch im Berufungsverfahren die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der Beigeladenen zu 1).

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Tätigkeit der Klägerin als Pflegekraft für die Beigeladenen zu 1) im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung erfolgt.

Die 1970 geborene Klägerin wurde von 2006 bis 2009 zur Altenpflegerin ausgebildet, die zweite Hälfte der Ausbildung absolvierte sie im Betrieb der Beigeladenen zu 1), ein Kranken-, Alten- und Familienpflegeverein. Zwischen 2009 und 2012 war die Klägerin nicht für die Beigeladene zu 1) tätig.

Mit Bescheid vom 05.03.2013 (Bl 9 Verwaltungsakte) stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin als selbständig tätige Pflegeperson versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung ist.

Ab April 2013 kam es zu einer Zusammenarbeit der Klägerin mit der Beigeladenen zu 1). Am 30.04.2013 beantragte die Beigeladene zu 1) bei der Beklagten die Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Klägerin und legte die abgeschlossenen Kooperations- und Dienstleistungsverträge vor (Bl 2/4 Verwaltungsakte). Vereinbart ist ua, dass die Klägerin die ganzheitliche fachliche Versorgung von Patienten übernimmt, hierzu der Beigeladenen zu 1) ihre zeitlichen und fachlichen Kapazitäten benennt und die Beigeladene zu 1) sodann der Klägerin Aufträge anbieten kann. Die Ausführung der Leistung wird mit “eigenständiger fachpflegerischer gesundheitsberatender Professionalität„ beschrieben. Als Vergütung sind 28 €/h vereinbart.

Nachdem die Beklagte bei der Beigeladenen zu 1) die Einreichung von Antragsvordrucken angefordert hatte und diese nicht vorgelegt wurden, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 09.08.2013 das Statusfeststellungsverfahren ein (Bl 12 Verwaltungsakte).

Am 19.08.2013 beantragten die Klägerin und die Beigeladene zu 1) erneut die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Klägerin. Auf dem dafür vorgesehenen Formular gab die Klägerin an, sie übe im Betrieb der Beigeladenen zu 1) Leistungen der Krankenpflege nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und Pflegeleistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) aus. Sie sei bei der AOK freiwillig krankenversichert. Sie werde für die Beigeladene zu 1) insbesondere in Fällen der Urlaubs- und Krankenvertretung tätig. Die Besuche seien entweder bei einer frühen Tour zwischen 7 und 11 Uhr oder bei einer späten Tour zwischen 17 und 20 Uhr durchzuführen. Die Hausbesuche der Patienten erfolgten im gesamten Stadtgebiet von B.. Dabei fahre sie mit ihrem Privat-Pkw zu den Patienten. Wenn es zu einem Einsatz komme, werde dieser im Dienstplan notiert. Die erbrachten Leistungen würden auf einem Besuchsplan dokumentiert. Sie habe zu ihrer Tätigkeit einen eigenen Flyer mit Informationen. Im Übrigen sei die Vergütung mit der Beigeladenen zu 1) frei vereinbart worden. Für Dienstkleidung erhalte sie keine Entschädigung.

Mit Schreiben vom 04.09.2013 (Bl 23 Verwaltungsakte) übersandte die Beklagte der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) jeweils einen Fragebogen. Die Beigeladene zu 1) gab an (Bl 27 Verwaltungsakte), die Klägerin erbringe die Pflegeleistungen in der häuslichen Umgebung der Patienten. Die Arbeitszeit richte sich nach der Tour, welche der Klägerin zugeteilt werde. Dabei teile die Pflegedienstleitung der Sozialstation die Patienten einer bestimmten Tour zu. Die Klägerin trete gegenüber den Patienten im Namen der Sozialstation auf. Da die Klägerin nur gelegentlich Pflegetouren übernehme, werde der schriftliche Behandlungsplan für die Patienten in der Regel von der Fachkraft erstellt, die normalerweise die entsprechende Tour fahre. Die bisherigen Einsätze hätten im Februar 2013 an 5 Tagen, im März 2013 an 6 Tagen, im April 2013 an 4 Tagen, im Mai 2013 an 0 Tagen, im Juni 2013 an 5 Tagen, im Juli 2013 an 10 Tagen, im August 2013 an 8 Tagen und im September 2013 an 6 Tagen stattgefunden. Vor einer Tour erhalte die Klägerin einen Einsatzplan mit den Namen der Patienten und den Leistungen, die bei jedem einzelnen Patienten zu erbringen seien. Dabei würden die erbrachten sachlichen und pflegerischen Leistungen von allen Pflegekräften, so auch von der Klägerin, in einer persönlichen Leistungskarte des Patienten erfasst und mit einem Handzeichen bestätigt. Diese Leistungskarte ...

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