Leitsatz (amtlich)

1. Für Ansprüche aufgrund vertraglicher Beziehungen im Sinne des § 34 Abs. 8 SGB VII zwischen einem Unfallversicherungsträger und einem Krankenhaus wegen der stationäre Behandlung eines Versicherten ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet.

2. Zur Abgrenzung einer Verletzung nach dem Verletzungsartenverfahren (VAV) von einer nach dem Schwerstverletztenartenverfahren (SAV); hier: mehrfragmentäre Tibiakopftrümmerfraktur mit begleitendem hochgradigem Weichteilschaden.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 29. Juni 2021 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert wird endgültig auf 10.961,26 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Im Streit steht die weitere Vergütung der stationären Krankenhausbehandlung eines bei der Beklagten Versicherten nach dessen Arbeitsunfall vom 15.04.2015 im klägerischen Klinikum in Höhe von 10.961,26 Euro.

Die Klägerin ist Trägerin des O1-Klinikums A1. Am 15.04.2015 wurde der 1981 geborene V1 (im Folgenden: der Versicherte) nach einem Arbeitsunfall notfallmäßig in das Klinikum eingeliefert. Im Rahmen seiner bei der Beklagten versicherten Tätigkeit war ein ca. 400 kg schweres Metallteil gegen seinen rechten Unterschenkel geprallt, hierdurch hatte er eine geschlossene mehrfragmentäre Tibiakopftrümmerfraktur Typ C3 nach AO-Klassifikation sowie einen Weichteilschaden dritten Grades nach Tscherne erlitten.

Bei der Untersuchung in der Notaufnahme des Klinikums zeigte sich eine deutliche Fehlstellung mit Hämatomverfärbung am rechten proximalen Unterschenkel des Versicherten, eine deutliche Kontusion der Weichteile im Sinne eines III Weichteilschadens. Die periphere Durchblutung war intakt, die Wade jedoch deutlich geschwollen im Sinne eines beginnenden Kompartmentsyndroms. In einer Röntgenaufnahme des Knies und Unterschenkels zeigte sich eine Tibiakopftrümmerfraktur (Zwischenbericht O2 u.a. vom 08.05.2015). Der Versicherte wurde stationär in das Klinikum aufgenommen und bis 08.05.2015 behandelt. Das Klinikum verfügte zu diesem Zeitpunkt über eine Zulassung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e. V. (DGUV) zur Behandlung von Verletzungen nach dem Verletzungsartenverfahren (VAV), nicht jedoch nach dem Schwerstverletztenartenverfahren (SAV).

Am 15.04.2015 erfolgte die primäre Frakturstabilisierung mittels Fixateur externe und bei dringendem Verdacht auf Kompartmentsyndrom die Kompartmentspaltung am Unterschenkel und Anlage eines VAC-Systems (Zwischenbericht O2 u.a. vom 08.05.2015, OP-Bericht vom 15.04.2015 M1). Zur weiteren OP-Planung wurde am 16.04.2015 eine CT des rechten Unterschenkels durchgeführt. Es zeigte sich ein Zustand nach Reposition und Stabilisierung der metaphysär und articulären C3-Trümmerfraktur der proximalen Tibia rechts mittels Fixateur externe, klaffende Frakturen und eine craniale Dislokation der Eminentia-Fragmente, darüber hinaus eine regelrechte Stellung des Frakturverbundes (CT-Bericht vom 17.04.2015 S1). Nach einem VAC-Wechsel und Debridement am 18.04.2015 erfolgte am 23.04.2015 die offene Reposition und winkelstabile Plattenosteosynthese des Tibiakopfes und eine freie Schraubenosteosynthese sowie ein weiterer VAC-Wechsel (OP-Bericht vom 23.04.2015 M1). Am 27.04.2015 fand ein Schraubentausch an der winkelstabilen Platte, die Entfernung des VAC-Systems und eine Sekundärnaht nach Kompartmentspaltung statt (OP-Bericht vom 27.04.2015 B1). Im Verlauf bildete sich eine Unterschenkelvenenthrombose. Am 08.05.2015 wurde der Versicherte aus der stationären Behandlung entlassen.

Mit Schreiben vom 11.06.2015 stellte die Klägerin der Beklagten für die stationäre Behandlung einschließlich der operativen Behandlungen des Versicherten im Zeitraum vom 15.04.2015 bis 08.05.2015 eine Vergütung in Höhe von insgesamt 18.376,35 Euro in Rechnung (Seite 140). Der zuständige Chefarzt des Klinikums, O2, berichtete der Beklagten über die Behandlung mit Durchgangsarztbericht vom 15.04.2015 und Zwischenbericht vom 08.05.2015. Am 27.05.2015 erfolgte eine Aufnahmemitteilung und Kostenübernahmeantrag an die Beklagte. Auf Aufforderung der Beklagten legte die Klägerin die Entlassungsanzeige, die Operationsberichte vom 15.04.2015, 18.04.2015, 23.04.2015 und 27.04.2015 sowie die gefertigten Röntgen- und CT-Aufnahmen vor.

Die Beklagte beglich die Rechnung nur in Höhe von 7.415,09 Euro. Mit Schreiben vom 22.06.2015 teilte sie der Klägerin mit, der Versicherte hätte nach § 37 des Vertrags zwischen der DGUV, der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG), einerseits und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, andererseits über die Durchführung der Heilbehandlung, die Vergütung der Ärzte sowie die Art und Weise der Abrechnung der ärztlichen Leistungen (Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger) in einem von den Landesverbänden der DGUV am SAV beteiligten Krankenhaus behandelt werden müssen, da seine Verletzungen der Ziffer 7.11 (S) des Verletzungsartenverzeichnisses unterfielen. N...

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