Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeldberechtigung. inländischer Wohnsitz. keine Bindung der Elterngeldstellen an die Bejahung des Inlandswohnsitzes im steuerrechtlichen Kindergeldverfahren. Auslandsaufenthalt in Kanada. Leben der Familie im Ausland. neuer Lebensmittelpunkt. Beibehaltung einer Eigentumswohnung in Deutschland. vorübergehende Besuche nicht ausreichend. Ausstrahlungswirkung. Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses. rechtlich selbstständige Einsatzgesellschaft. unechte Entsendung. Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen aufgrund einer Ausnahmevereinbarung nach SozSichAbk CAN. keine entsprechende Anwendung von § 1 Abs 2 S 1 Nr 1 BEEG

 

Orientierungssatz

1. Das Vorhandensein eines inländischen Wohnsitzes nach § 1 Abs 1 S 1 Nr 1 BEEG iVm § 30 Abs 3 S 1 SGB 1 ist im Elterngeldverfahren eigenständig zu prüfen, auch wenn die Familienkasse im Kindergeldverfahren das Vorliegen eines inländischen Wohnsitzes nach § 8 AO 1977 für den gleichen Zeitraum bejaht hat (Anschluss an LSG Stuttgart vom 14.5.2019 - L 11 EG 4476/18).

2. Schon die rechtliche Selbstständigkeit der Einsatzgesellschaft spricht gegen eine Ausstrahlung im Sinne des § 4 SGB 4 (vgl BSG vom 5.12.2006 - B 11a AL 3/06 R = SozR 4-2400 § 4 Nr 1).

3. Die Zahlung von Beiträgen zur Sozialversicherung (Renten- und Arbeitslosenversicherung) über eine Ausnahmevereinbarung nach dem Sozialversicherungsabkommen zwischen Deutschland und Kanada (juris: SozSichAbk CAN) genügt nicht, um eine Elterngeldberechtigung in entsprechender Anwendung des § 1 Abs 2 S 1 Nr 1 BEEG zu bewirken.

4. Für einen Anspruch auf Elterngeld reicht es nicht, dass nur ein Rumpfarbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber in Deutschland fortbesteht (zum BErzGG vgl BSG vom 24.10.2010 - B 10 EG 12/09 R = SozR 4-7833 § 1 Nr 11).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.03.2021; Aktenzeichen B 10 EG 6/19 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10.10.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen einen Bescheid der Landeskreditbank Baden-Württemberg (L-Bank), mit dem die Beklagte das der Klägerin bereits für 12 Lebensmonate der Tochter E. (im Folgenden: E) bewilligte Elterngeld ab dem 7. Lebensmonat des Kindes (18.09.2017) wieder aufgehoben hat.

Die 1982 geborene Klägerin ist verheiratet und Mutter der am 01.01.2015 geborenen Tochter M. und der am 18.03.2017 geborenen E. Sie war vor der Geburt von E versicherungspflichtig beschäftigt und befindet sich der Geburt von E in Elternzeit. Nach der Geburt von E erzielte sie kein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit. Die Klägerin lebte zum Zeitpunkt der Geburt von E zusammen mit ihrem Ehemann und den gemeinsamen Kindern in einer Wohnung in W. i. S.; Vermieter der Wohnung war der Vater der Klägerin. Die Wohnung gehört der Klägerin, ist aber mit einem Nießbrauch ihres Vaters belastet. Für die Zeit nach der Geburt von E verzichtete der Vater der Klägerin auf eine Mietzahlung. Der Ehemann der Klägerin ist bei der Firma D. AG beschäftigt.

Auf ihren Antrag bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 15.05.2017 für das Kind E Basis-Elterngeld für die Lebensmonate 3 bis 12. Für die Lebensmonate 7 bis 10 ergab sich unter Berücksichtigung eines Geschwisterbonus ein Betrag von monatlich 1.980 € und für die Lebensmonate 11 und 12 ein Betrag in Höhe von monatlich 1.800 €. Rechtsbehelfe gegen diesen Bescheid wurden nicht eingelegt.

Am 04.07.2017 teilte die Klägerin der Beklagten telefonisch mit, dass ihr Ehemann ab September 2017 nach Kanada versetzt werde. Sie selbst werde aber weiterhin ihren Arbeitgeber und einen Wohnsitz in Deutschland haben. Auf einem Vordruck der Beklagten machte die Arbeitgeberin des Ehemanns der Klägerin, die Firma D. AG (Human Resource Development/Global Assignment Management HRD/GO), mit Datum vom 13.07.2017 Angaben zur Entsendung des Ehemanns der Klägerin. Danach wurde der Ehemann der Klägerin mittels eines Entsendevertrages (siehe hierzu Seite 198/199 der Verwaltungsakte) für die Zeit vom 01.09.2017 bis zum 31.08.2020 von seiner Arbeitgeberin zu einer Einsatzgesellschaft in die Vereinigten Staaten (USA) zur Überlassung an die M. B. Canada Inc nach Vancouver, Kanada, entsandt. Sein Arbeitsverhältnis mit der Firma D. AG ruht für die Dauer der Entsendung. Die Personal- und Sachkosten werden zu 100% von der Einsatzgesellschaft getragen, auch das tägliche Weisungsrecht obliegt der Einsatzgesellschaft. Mit Schreiben vom 22.07.2017 teilte die Klägerin der Beklagten ua mit, sie wolle mit ihren Kindern so viel Zeit wie möglich mit ihrem Mann in Kanada verbringen, werde aber in regelmäßigen Abständen nach Hause kommen. Sie könne unentgeltlich bei ihren Eltern wohnen.

Mit Änderungsbescheid vom 28.07.2017 hob die Beklagte ihren Bescheid vom 15.05.2017 für die Zeit ab dem 7. Lebensmonat von E (dh ab dem 18.09.2017) auf. Die Klägerin h...

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