Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. fiktive Bemessung. Bemessungszeitraum und Bemessungsrahmen. keine Erweiterung durch Zeiten der Kindererziehung mit geringfügiger Beschäftigung. Zuordnung zur Qualifikationsgruppe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Maßgebend für die Auslegung des Begriffs "Versicherungspflichtverhältnis" in § 130 Abs 1 SGB 3 in der ab 1.1.2005 geltenden Fassung ist die Definition in § 24 Abs 1 SGB 3.

2. Zeiten des Erziehungsurlaubs, in denen die Versicherte nicht versicherungspflichtig beschäftigt war und Erziehungsgeld nur wegen der Berücksichtigung von Einkommen nicht bezogen hat, führen nicht zu einer Verlängerung des Bemessungsrahmens (kein sogenannter Aufschubtatbestand).

 

Orientierungssatz

1. Gemäß § 24 SGB 3 stehen auch Personen in einem Versicherungspflichtverhältnis, die aus sonstigen Gründen - hier wegen Kindererziehung - nach § 26 SGB 3 versicherungspflichtig sind.

2. Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt im auf 2 Jahre erweiterten Bemessungsrahmen nicht festgestellt werden, so ist nach § 132 Abs 1 SGB 3 als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. Hierbei ist es nicht zu beanstanden, wenn eine zuletzt als Assistentin der Geschäftsführung versicherungspflichtig Beschäftigte, die über keinen Berufsabschluss verfügt, der Qualifikationsgruppe 3 nach § 132 Abs 2 S 2 Nr 3 SGB 3 zugeordnet wird.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.05.2008; Aktenzeichen B 11a/7a AL 64/06 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Mai 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Bemessungsentgelts zur Berechnung des Arbeitslosengeldes streitig.

Die am ...1970 geborene Klägerin, die keinen Beruf erlernte, war zuletzt vom 01.09.1997 bis 03.04.2005 bei der H.-G. K. Management GmbH in B. als Assistentin der Geschäftsleitung angestellt. Ihre wöchentliche Arbeitszeit betrug 40 Stunden. In der Zeit von Juni 1998 bis Juli 1999 betrug ihr monatliches Bruttogehalt 2.454,20 €. Im November 1998 erhielt sie außerdem ein Weihnachtsgeld in Höhe von 2.454,20 €. Beitragspflichtiges Arbeitsentgelt wurde der Klägerin bis 31.07.1999 gezahlt. Nach der Geburt ihrer am 12.09.1999 und 03.04.2002 geborenen Kinder bezog sie vom 01.08. bis 07.11.1999 und vom 16.02. bis 29.05.2002 Mutterschaftsgeld, und nach dem Bezug von Mutterschaftsgeld befand sich die Klägerin jeweils im Erziehungsurlaub bzw. in Elternzeit bis 02.04.2005, erhielt aber aufgrund des Einkommens ihres Ehemannes kein Erziehungsgeld. Am 29.03.2005 schloss sie mit ihrer Arbeitgeberin einen Aufhebungsvertrag. Danach endete das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 03.04.2005. Der Grund für den Abschluss dieser Vereinbarung war der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin als Assistentin der Geschäftsleistung hinsichtlich der Arbeitszeiten ein hohes Maß an Flexibilität erforderte und die Klägerin sich im Hinblick auf die Betreuung und Erziehung ihrer beiden Kinder nicht mehr in der Lage sah, ihre Tätigkeit mit der geforderten und erwarteten Flexibilität fortzusetzen. Von Januar 2000 bis mindestens März 2005 erzielte die Klägerin außerdem aus einer geringfügigen Beschäftigung für die Management GmbH bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 5 Stunden ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 325,00 €. Bei dieser Nebentätigkeit war sie nicht als Assistentin der Geschäftsleitung eingesetzt, sondern mit der Erfassung von Daten betraut. Seit 06.03.2006 ist die Klägerin bei der Stadt B. als Schulsekretärin beschäftigt.

Am 10.03.2005 meldete sich die Klägerin mit Wirkung zum 12.04.2005 arbeitslos. Mit Bescheid vom 20.04.2005 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld ab 12.04.2005 für 360 Tage. Dagegen legte die Klägerin am 12.05.2005 Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, mit dem für die Berechnung des Arbeitslosengeldes zugrunde gelegten Bemessungsentgelt sei sie nicht einverstanden. Vor ihrer Erziehungszeit habe sie ein weitaus höheres Arbeitsentgelt erzielt als das nun zugrunde gelegte Arbeitsentgelt. Sie halte es daher nicht für rechtmäßig, anhand von Qualifikationsstufen ein fiktives Entgelt zugrunde zu legen. Wegen ihrer zwei Kinder sei sie vier Jahre und sechs Monate im Erziehungsurlaub gewesen. Demnach sei sie mehr als drei Jahre nicht berufstätig gewesen. Gemäß der neuen Regelung werde ihr deswegen nicht ihr tatsächlicher Verdienst für das Arbeitslosengeld zugrunde gelegt, sondern sie werde nun in eine Qualifikationsstufe aufgrund ihrer Ausbildung eingestuft. Dies sei für sie unbegreiflich, denn sie habe es geschafft, sich ohne Abitur oder gar einem Studium als Assistentin der Geschäftsleitung zu qualifizieren. Hierfür habe sie sehr viel arbeiten müssen und dementsprechend habe sie auch mehr Sozialbeiträge und Steuern abgeführt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.2005 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Zur...

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