Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Befreiungsrecht nach § 231 Abs 5 oder 6 SGB 6. Versicherungspflicht. Selbstständiger. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Die durch Gesetz vom 19.12.1998 eingeführte und durch Gesetz vom 20.12.1999 verlängerte Befreiungsmöglichkeit nach § 231 Abs 5 SGB 6 und die durch Gesetz vom 23.12.2002 erfolgte Ergänzung durch § 6 Abs 1a SGB 6 waren eine unmittelbare Reaktion auf die Erweiterung der Versicherungspflicht durch § 2 S 1 Nr 9 SGB 6. Sie sollten den sozialen Schutz für die bereits nach altem Recht Versicherungspflichtigen nicht beeinträchtigen und daher insoweit keine (zusätzliche) Befreiungsmöglichkeit schaffen. Dass dabei eine generalisierende, typisierende und verwaltungsmäßig leicht feststellbare Betrachtung sozialer Schutzbedürftigkeit angelegt wurde, unabhängig davon, ob diese im konkreten Fall besteht, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl BSG vom 30.1.1997 - 12 RK 31/96 = SozR 3-2600 § 2 Nr 2).

2. Dass § 231 Abs 6 SGB 6 Versicherungspflichtige ausschließt, die ihre selbstständige Tätigkeit erst nach dem 31.12.1998 aufgenommen haben, verletzt Art 3 Abs 1 GG nicht (vgl zuletzt Beschluss des BVerfG vom 6.12.1988 - 1 BvL 5/85 = BVerfGE 79, 212, 219, stRpsr).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.11.2005; Aktenzeichen B 12 RA 9/04 R)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Der ... 1946 geborene Kläger war seit 8. März 1999 selbstständig als begleitender Betreuer von Schülern und als Sprachtrainer tätig, dabei ausschließlich von dem Fremdspracheninstitut Dr. B beauftragt. Dort arbeitete er in der Regel unter 15 Stunden wöchentlich (Bescheinigungen des Fremdspracheninstituts Dr. B vom 23. Dezember 1999 und vom 21. Dezember 2000).

Am 30. Juni 1999 beantragte der Kläger seine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 29. August 2001 eine Befreiung nach § 231 Abs. 6 Sozialgesetzbuch (SGB) VI ab, da der Kläger eine selbstständige Tätigkeit am 31. Dezember 1998 noch nicht ausgeübt habe. Der hiergegen vom Kläger eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2001, am 5. Januar 2001 mit Einschreiben zur Post gegeben, zurückgewiesen.

Der Kläger erhob hiergegen am 8. Januar 2002 Klage bei dem Sozialgericht Ulm.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 25. September 2002 ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger sei nach der - verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden - Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtig und auch nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI i. V. m. § 8 Abs. 3 SGB IV wegen einer geringfügigen selbstständigen Tätigkeit versicherungsfrei. Nach den - verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden - Befreiungsvorschriften des § 231 Abs. 5 SGB VI und des § 231 Abs. 6 SGB VI könne keine Befreiung erfolgen, da der Kläger seine selbstständige Tätigkeit erst am 8. März 1999 aufgenommen habe. Auch die entgegen der Ansicht der Beklagten einschlägige Befreiungsvorschrift des § 6 Abs. 1a SGB VI greife nicht ein. Da der Kläger neben seiner Tätigkeit als selbstständiger Sprachtrainer als Arbeitsloser ohne Leistungsbezug nicht versicherungspflichtig sei, fehle ihm die notwendige Absicherung.

Der Kläger hat gegen das ihm am 9. Oktober 2002 zugestellte Urteil am 11. Oktober 2002 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt er sein erstinstanzliches Vorbringen einer unzulässigen Ungleichbehandlung mit den in § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB VI genannten Berufsgruppen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Der Senat kann auch in der Sache entscheiden, denn Anlass für eine Aussetzung nach §§ 153 Abs. 1, 114 SGG wegen der noch andauernden gerichtlichen Auseinandersetzungen des Klägers mit der Bundesagentur für Arbeit besteht nicht. Die dort streitige Gewährung von Arbeitslosenhilfe hat keine Auswirkungen auf die Rentenversicherungspflicht des Klägers.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen

Der Kläger ist, worüber die Beteiligten nicht streiten, versicherungspflichtig als Lehrer und Erzieher (§ 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Er ist auch nicht wegen geringfügiger selbständiger Tätigkeit versicherungsfrei, denn sein Einkommen lag bis zur Beendigung der Tätigkeit am 25. Mai 2002 fortlaufend über der jeweils maßgeblichen Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB IV in der jeweils geltenden Fassung; bis 31. Dezember 2001: 630 DM; ab 1. Januar 2002: 325 €). Das ergibt sich aus den vorgelegten Einkommenssteuerbescheiden bis 2001; für die Zeit ab 1. Januar 2002 ist nichts Abweichendes vorgetragen oder sonst ersichtlich. Die Frage ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Keinen Anlass für eine nähere Prüfung des Senats bietet der nach § 153 Abs. 1, § 96 Abs. 1 SGG in das Verfahren einbezogene Bescheid vom 19. N...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge