Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. im ambulanten Pflegedienst tätige (Kranken-)Pflegekraft. mehrere Auftraggeber. Vertrag über freie Mitarbeit und Vereinbarung eines Stundenhonorars, dessen Höhe Eigenvorsorge zulässt. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung. Rechtsprechung zur Pflegetätigkeit in einer stationären Pflegeeinrichtung nicht uneingeschränkt übertragbar

 

Leitsatz (amtlich)

Auf die Abgrenzung einer abhängigen Beschäftigung von einer selbstständigen Tätigkeit im Bereich der ambulanten Pflege ist die Rechtsprechung zur Pflegetätigkeit in einer stationären Pflegeeinrichtung nicht uneingeschränkt übertragbar, insbesondere im Hinblick auf die Eingliederung in den Betriebsablauf der Pflegeeinrichtung.

 

Orientierungssatz

Zum sozialversicherungsrechtlichen Status einer im ambulanten Pflegedienst tätigen (Kranken-)Pflegekraft siehe auch LSG Stuttgart vom 19.7.2017 - L 2 R 3158/16.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 21.02.2017 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der Beigeladenen zu 3 auch im Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Anfrageverfahrens streitig, ob die von der Klägerin für den Beigeladenen zu 3, den I. Intensiv-Pflege-Dienst, ausgeübte Tätigkeit als Pflegekraft in den Zeiträumen vom 13.12.2013 bis 13.01.2014, 01.02.2014 bis 17.02.2014 sowie 01.03.2014 bis 24.03.2014 als abhängige und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung oder als selbstständige Tätigkeit zu beurteilen ist.

Die 1956 geborene Klägerin, polnische Staatsangehörige, ist gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin (zur Urkunde vgl. Blatt 7 der Beklagtenakte). Am 14.05.2014 legte sie bei der Beklagten den ausgefüllten Fragebogen zur Feststellung der Pflichtversicherung kraft Gesetzes als selbstständig Tätige vor (Blatt 1/4 der Beklagtenakte). Sie gab an, sie pflege überwiegend Menschen aufgrund ihres Alters und/oder pflegebedürftige Menschen aufgrund von situationsbedingten Gebrechen. Ferner beantragte sie die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht wegen Beschäftigung eines sozialversicherungspflichtigen Angestellten in Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit (Blatt 5 der Beklagtenakte). Die Klägerin legte eine Gewerbeummeldung vom 30.08.2013 (Blatt 6 der Beklagtenakte) vor, ebenso die “Anlage zum Statusfeststellungsantrag zur Beschreibung des Auftragsverhältnisses„ (Blatt 12/13 der Beklagtenakte) sowie verschiedene Verträge vor (dazu vgl. Blatt 14/34, 47/451 der Beklagtenakte), darunter die Verträge

- mit I. Intensiv-Pflege Dienst vom 13.12.2013 für die Zeit vom 13.12.2013 bis zum 31.12.2013 (Blatt 35/37 der Beklagtenakte),

- mit I. Intensiv-Pflege Dienst vom 01.01.2014 für die Zeit vom 01.01.2014 bis zum 13.01.2014 (Blatt 38/40 der Beklagtenakte),

- mit I. Intensiv-Pflege Dienst vom 27.02.2014 für die Zeit vom 01.03.2014 bis zum 09.03.2014 und vom 11.03.2014 bis zum 23.03.2014 (Blatt 41/44 der Beklagtenakte)

sowie die Anlage 1 zum Honorarvertrag vom 29.02.2014 (Blatt 45/46 der Beklagtenakte).

Die Klägerin gab an, ihre Tätigkeit bestehe in der Krankenpflege eines Intensiv-Pflege-Patienten, die nur von einer examinierten Gesundheits- und Krankenpflegerin oder Altenpflegerin ausgeübt werden dürfe. Die Auftragsausführung werde nicht kontrolliert. Sie sei auf selbständiger Basis tätig. Auch bestünden keine Vorgaben hinsichtlich der Arbeitszeiten. Sie selbst gebe ihre Dienste vor Auftragsbeginn an. Die Tätigkeit werde beim Patienten zu Hause durchgeführt. Einschränkungen hinsichtlich des Tätigkeitsortes bestünden nicht. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers liege nicht vor (bezüglich Dienstbesprechungen, Teamsitzungen, Dienstplänen usw.). Sie trete unternehmerisch durch eigene Preisgestaltung, Vermittlung durch eine Agentur, Rechnung (mit eigenem Briefkopf) und Visitenkarten, Flyer auf.

In den Verträgen zwischen dem I. Intensiv-Pflege-Dienst und der Klägerin ist folgendes vereinbart:

l. Vertragsgegenstand

(l) Der Auftraggeber ist Betreiber des ambulanten Pflegedienstes I. Intensiv-Pflege-Dienst in B. . Der Pfleger ist ein selbständig tätiger Altenpfleger. Der Auftraggeber beauftragt die Pflegekraft im Rahmen ihrer fachlichen Qualifikation mit der Betreuung von Patienten in der häuslichen Pflege (1:1 Pflege) im Einsatzort U. (bzw. D. ) der vorbezeichneten Einrichtung, ohne dass dadurch ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 SGB IV begründet wird.

(2) Die zu erbringende Dienstleistung beinhaltet die eigenständige Pflege der Patienten in kooperativer Zusammenarbeit mit den Ärzten und dem angestellten Pflegepersonal des ambulanten Pflegedienstes.

2. Vertragsdauer

(l) Das Vertragsverhältnis beginnt am ... und endet am ...(im Einzelnen jeweils angegeben)

(2) Die Pflegekraft ist nicht verpflichtet, bestimmte Dienst...

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