Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Rechtsanwaltsvergütung. isoliertes Vorverfahren. Erledigungsgebühr. anwaltliche Mitwirkung. Ruhensantrag im Hinblick auf Strafverfahren. Abhilfebescheid nach Freispruch. Erstattung von Kosten im Vorverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Erledigungsgebühr für die Mitwirkung an der Erledigung eines isolierten Vorverfahrens kann nicht beansprucht werden, wenn sich die anwaltliche Tätigkeit in der Stellung eines Ruhensantrags im Hinblick auf ein laufendes Strafverfahren erschöpft und nach Freispruch des Klägers ein Abhilfebescheid erteilt wird.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 15. März 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe die Beklagte Rechtsanwaltsgebühren im Rahmen eines isolierten Vorverfahrens zu erstatten hat.

Die Beklagte hob mit Bescheid vom 11. September 2006 die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 2. Juli 2003 mit der Begründung auf, der Kläger habe seit diesem Zeitpunkt eine Tätigkeit als Fahrer ausgeübt, die die Kurzzeitigkeitsgrenze von 15 Stunden erreicht bzw. überschritten habe. Der Verpflichtung zur Mitteilung aller erheblichen Änderungen in den Verhältnissen sei der Kläger zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. In der Zeit vom 2. Juli 2003 bis 26. Januar 2004 seien zu Unrecht gezahltes Arbeitslosengeld in Höhe von 6.633,66 € sowie Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von 2.498,66 €, insgesamt damit 9.132,32 € zu erstatten.

Der Kläger ließ über seinen Bevollmächtigten Widerspruch einlegen. Nach Akteneinsicht verwies der Bevollmächtigte mit Schreiben vom 24. November 2006 auf ein laufendes Strafverfahren, in welchem der Kläger von einem anderen Anwalt vertreten werde. Da noch erheblicher Ermittlungsbedarf bestehe und die Entscheidung im Widerspruchsverfahren nicht unabhängig vom Strafverfahren getroffen werden könne, werde angeregt, das Verfahren bis zum Ausgang des Strafverfahrens ruhend zu stellen. Dieser Anregung folgend ließ die Beklagte das Widerspruchsverfahren ruhen. Mit Urteil des Amtsgerichts Konstanz vom 13. August 2007 (10 Cs 48 Js 27873/06 - AK 322/07) wurde der Kläger freigesprochen. Nach Vorlage dieses Urteils durch den Bevollmächtigten hob die Beklagte mit Abhilfebescheid vom 19. Oktober 2007 den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11. September 2006 auf und erklärte sich bereit, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Widerspruchsverfahren notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten wurde für notwendig erklärt.

Mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2007 stellte der Bevollmächtigte Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 706,27 € der Beklagten in Rechnung. Hierin war u.a. eine Erledigungsgebühr (280,00 €) zuzüglich Umsatzsteuer von 19% (= 333,20 €) nach Nr. 1002, 1005 Vergütungsverzeichnis (VV) gemäß Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) enthalten, deren Erstattung die Beklagte ablehnte, weil ein Erhöhungstatbestand nach § 3 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 1005 VV RVG nicht vorliege. Sie erstattete daher lediglich einen Betrag in Höhe von 373,07 € (706,27 € abzüglich 333,20 €). Im Erstattungsbetrag waren eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG in Höhe von 280,00 €), die Postpauschale nach Nr. 7002 VV RVG (20,00 €), die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 VV RVG in Höhe von 13,50 € und die Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG (53,97 €) enthalten (Bescheid vom 30. November 2007). Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, die Erledigungsgebühr sei vorliegend entstanden. Sinn und Zweck dieser Gebühr sei eine besondere Mitwirkung des Rechtsanwalts bei der Erledigung der Rechtssache, wodurch die gerichtsentlastende Wirkung honoriert werde. Dies sei hier der Fall. Ohne den Antrag auf Ruhen des Verfahrens wäre die Angelegenheit entschieden und abgelehnt worden, sodass es zu einem gerichtlichen Verfahren gekommen wäre. Nur die aktive Mitwirkung des Bevollmächtigten in Zusammenarbeit mit einem weiteren Rechtsanwalt hinsichtlich der Strafsache und das daraus resultierende Ruhen des Verfahrens hätten zur Erledigung geführt, nachdem das Strafverfahren mit einem Freispruch geendet habe. Nach Erhalt des Freispruches sei die Gegenseite wieder angerufen worden, um das Verfahren fortzusetzen. Durch dieses besondere Bemühen des Bevollmächtigten habe eine außergerichtliche Erledigung des Rechtsstreits eintreten können. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2007 zurück.

Hiergegen richtet sich die am 14. Januar 2008 zum Sozialgericht Nürnberg erhobene Klage, die das Sozialgericht Nürnberg mit Beschluss vom 4. März 2008 (S 14 AL 19/08) an das Sozialgericht Konstanz (SG) verwiesen hat.

Mit Gerichtsbescheid vom 15. März 2011 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Bescheids verurteilt, dem Kläger antragsgemäß weitere 33...

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