Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. kein Anspruch auf Kostenerstattung für selbstbeschafftes Hörgerät

 

Leitsatz (amtlich)

Kein Anspruch auf Kostenerstattung eines Hörgeräts, das der Versicherte sich während des gerichtlichen Verfahrens selbst beschafft hat, nachdem er gegenüber der Krankenkasse zunächst die Versorgung mit einem anderen Modell begehrt hatte.

 

Orientierungssatz

Ein Versicherter hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung eines Hörgeräts, wenn er sich dieses Hilfsmittel während des gerichtlichen Verfahrens selbst beschafft hat, nachdem er gegenüber der Krankenkasse zunächst die Versorgung mit einem anderen Modell begehrt hatte.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. Mai 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren zuletzt noch die Erstattung von € 2.068,12 (€ 2.088,12 abzüglich der gesetzlichen Zuzahlungen von € 20,00), die sie für die Beschaffung von zwei mehrkanaligen digitalen Hörhilfen Phonak Piconet2 P2 AZ, zwei Komfort-Ohrschalen sowie einer Fernbedienung Phonak DHC-2 PiCS Mark 2 bezahlt hat.

Die 1958 geborene Klägerin ist pflichtversichertes Mitglied der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin (im Folgenden einheitlich Beklagte) und als EDV-Betriebswirtin und EDV-Organisatorin bei einer Bank beschäftigt. Sie leidet an einer beidseitigen mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit. HNO-Arzt Dr. M. verordnete am 4. September 2003 Hörhilfen beidseits. Die Verordnung ging mit dem Kostenvoranschlag der Firma G. Hörakustik vom 29. Oktober 2003 am 21. November 2003 bei der Beklagten ein. In dem Kostenvoranschlag nannte die Firma G. Hörakustik den Betrag von insgesamt € 2.757,00 für zwei digitale Hörhilfen Phonak Sono Forte 2 P3 AZ (Hilfsmittelnummer 13.20.03.2047) à € 1.277,00 sowie eine Fernbedienung DHC 2 à € 203,00.

In dem von der Beklagten eingeholten Gutachten vom 23. Dezember 2003 kam Dr. V., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), zum Ergebnis, die medizinischen Voraussetzungen für eine beidseitige Hörgeräteversorgung lägen grenzwertig im Bereich der Festbetragsgruppe 13.20.03 vor. Für ein Verlassen des Festbetragsrahmens liege aus audiologischer Sicht keine Begründung vor. Die Beklagte teilte der Klägerin unter dem 30. Dezember 2003 mit, sie beteilige sich an den Kosten mit dem gesetzlich festgelegten Festbetrag (für mehrkanalige HdO- und IO-Geräte) der Gruppe 13.20.03 in Höhe von € 508,74. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und verwies darauf, dass eine beidseitige Versorgung erfolge. Die Kosten für beide Hörhilfen seien in vollem Umfang von der Beklagten zu übernehmen, da mit dem Festbetrag keine ausreichende und zweckmäßige Versorgung gewährleistet sei. Ohne Hörhilfen könne sie am öffentlichen und gesellschaftlichen Leben nicht ausreichend teilnehmen.

Die Firma G. Hörakustik übersandte der Beklagten den Anpassungsbericht der Hörakustikmeisterin K. vom 23. Februar 2004 über die in der Zeit vom 19. November 2002 bis 23. Februar 2004 durchgeführte "Hörgerätenachversorgung", die folgende Ergebnisse erbracht habe:

Hörsystem

Hilfsmittel- nummer

Verkaufspreis für 2 Hörsysteme

Einsilberverstehen ohne Störgeräusch

Einsilberverstehen im STG (60dB) Nutzschall 65 dB

Audio Service Karat 152 AGC

13.20.02.1009

Festbetrag

70%

45%

Siemens Phoenix Pro 102

13.20.03.0088

€ 1.738,00

70%

55%

Phonak Sono Forte 2 P3 AZ

13.20.03.2047

€ 2.554,00

95%

75%

Siemens Tiano 3

13.20.03.1191

€ 4.298,00

85%

65%

Weiter führte Frau K. aus, nicht mit allen getesteten Hörsystemen sei die Klägerin in der Lage gewesen, sich schnell auf wechselnde Hörsituationen einzustellen sowie bei Seminaren und Gesprächsrunden Zwischenrufe anderer Teilnehmer wahrzunehmen und zu verstehen. Bestmöglich sei dies mit dem angepassten Hörsystem bestehend aus zwei Hörhilfen Phonak Sono Forte 2 P3 AZ, zwei Ohrschalen sowie einer Fernbedienung DHC 2. In dem daraufhin von der Beklagten veranlassten weiteren Gutachten vom 13. April 2004 sah Dr. V. keine Begründung für eine Versorgung außerhalb des Festbetragsrahmens. Wenn die berufliche Situation der Klägerin besondere Anforderungen an das Hörvermögen stelle, könne sie einen ergänzenden Antrag zur beruflichen Rehabilitation beim Rentenversicherungsträger stellen. Die Klägerin verwies unter Vorlage des Anpassungsberichts der Frau K. vom 4. Dezember 2003 erneut darauf, dass mit “einfachen Festbetragsgeräten„ eine Versorgung nicht erfolgen könne, weil mit diesen nur eine unzureichende Verständlichkeit von 60% im schalldichten Raum erreicht werde. Sie benötige die Hörhilfen ständig im privaten und beruflichen Bereich. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe im Urteil vom 17. Dezember 2002 - 1 BvL 28/95 - eine Überarbeitung und Neuregelung der Festbeträge verlangt. Dr. V. blieb in dem weiteren Gutachten vom 6. Juli 2004 bei ihrer Auffassung. Mit Bescheid vom 8. Juli 2004 teilte die Beklagte der Klägeri...

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