Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Verordnungseinschränkung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel. Rechtmäßigkeit der Begrenzung der anthroposophischen Misteltherapie auf die palliative Anwendung. Beschluss des G-BA vom 19.4.2012 zu § 12 Abs 6 AMRL. keine schwerwiegenden Verfahrensfehler

 

Orientierungssatz

1. Die Verordnungseinschränkung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel der Anthroposophie und Homöopathie nach § 12 Abs 6 AMRL in der ab 21.6.2012 geltenden Fassung (hier: die Begrenzung der Therapie mit dem Mistelpräparat "Iscador" auf die palliative Anwendung) ist rechtmäßig (vgl BSG vom 11.5.2011 - B 6 KA 25/10 R = BSGE 108, 183 = SozR 4-2500 § 92 Nr 12).

2. Auch im Beschluss des G-BA vom 19.4.2012 sind keine schwerwiegenden Verfahrensfehler zu erkennen, welche zur Nichtigkeit des Beschlusses führen. Eine nochmalige Anhörung der Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland zwischen Beschluss und Umsetzung ist nicht erforderlich gewesen, da es sich hierbei nur um eine redaktionelle Änderung gehandelt hat.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.12.2015; Aktenzeichen B 1 KR 30/15 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 18.12.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Kostenübernahme für das Mistelpräparat Iscador, eines nicht-verschreibungspflichtigen aber apothekenpflichtigen anthroposophischen Arzneimittels.

Die Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie erkrankte im Jahr 2007 an einem Mammakarzinom. Dieses wurde im gleichen Jahr operativ entfernt. Im Anschluss an die durchgeführte Chemotherapie erfolgte eine bis heute andauernde Therapie mit dem Mistelpräparat Iscador M. Zunächst erhielt die Klägerin Iscador auf Rezept.

Mit Schreiben vom 13.12.2011 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für die Weiterbehandlung mit dem Mistelpräparat. Sie legte ein Attest des behandelnden Arztes Dr. St. vor, wonach er sich bei der Klägerin dazu entschlossen habe, eine über fünf Jahre andauernde adjuvante Misteltherapie durchzuführen. Der behandelnde Arzt empfahl, die dabei entstehenden Kosten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu übernehmen.

Mit Bescheid vom 27.12.2011 lehnte die Beklagte die beantragte Kostenübernahme ab, weil es sich bei der Misteltherapie um eine bisher vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht anerkannte Behandlungsmethode bei einer Krebserkrankung handele. Die Verordnungsfähigkeit von Mistelpräparaten sei auf die palliative Behandlung beschränkt. Im Rahmen der hier vorliegenden adjuvanten (unterstützend-kurativen) Therapie komme eine Finanzierung durch die Krankenkasse nicht in Betracht. Hierbei nahm die Beklagte auf das Urteil des BSG vom 11.05.2011 - B 6 KA 25/10 R- Bezug.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 10.01.2012 Widerspruch ein. Sie führt aus, dass die Gesellschaft anthroposophischer Ärzte in ihren Veröffentlichungen vom 28.04.2004 sowie vom 15.01.2006 erklärt habe, dass die Anwendung anthroposophischer Mistelpräparate eine Standardtherapie in der Behandlung maligner Tumore darstelle. Eine Einschränkung auf palliative Therapien sei dabei nicht zu erkennen. Das Urteil des BSG vom 11.05.2011 - B 6 KA 25/10 R - ändere daran nichts. Das Gericht habe nämlich nicht über die konkrete Ausstellung von Kassenrezepten durch Vertragsärzte in der adjuvanten Therapie entschieden.

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte das Gutachten bei dem MDK, Dr. Sch. vom 23.01.2012 ein. Dieses kommt zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 34 SGB V, wonach ausnahmsweise nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden, nicht vorliegen. Eine nach Anlage I der Arzneimittelrichtlinie (nachfolgend: AM-RL), Ziffer 32 erforderliche palliativmedizinische Situation, liege bei der Klägerin nicht vor.

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.2013 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V nicht vorlägen. Bei der von der Klägerin selbstbeschafften Leistung handle es sich weder um eine unaufschiebbare Leistung (Alternative 1) noch um eine Leistung, die zu Unrecht abgelehnt worden sei (Alternative 2). Die von der Klägerin beschaffte Leistung gehöre nicht zu denen, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen habe. Gemäß § 12 Abs. 5 AMRL in Verbindung mit Ziffer 32 der Anlage I zum Abschnitt F der AM-RL sei normiert, dass Mistelpräparate nur in der palliativen Therapie maligner Tumore zur Verbesserung der Lebensqualität zu gewähren seien. Nur innerhalb dieser Grenzen seien diese Präparate daher zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig. Zwar sei bei der Klägerin 2007 ein Mammakarzinom, also ein maligner Tumor entfernt worden. Das von der Klägerin selbst beschaffte Präparat werde jedoch bei ihr nicht zur...

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