Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. Gleichstellung. Erhalt des Arbeitsplatzes. vorangegangene verhaltens- und betriebsbedingte Kündigungen. keine behinderungsbedingte Arbeitsplatzgefährdung. kein vorbeugender Schutz gegen Wettbewerbsnachteile bei späterem Arbeitsplatzwechsel

 

Leitsatz (amtlich)

Die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen erfordert, dass die Behinderung eine Ursache für die Notwendigkeit der Gleichstellung ist. In der Konstellation eines bestehenden Arbeitsverhältnisses ist hierfür maßgeblich, ob bei wertender Betrachtung in der Behinderung, also gerade in ihrer Art und Schwere, die Schwierigkeit des Erhalts des Arbeitsplatzes liegt. Ausreichend ist insofern, wenn plausibel gemacht werden kann, dass die Behinderung wegen befürchteter Minderleistungen eine wesentliche, andere Gründe der Arbeitsplatzgefährdung überwiegende, Mitursache für die Arbeitsmarktprobleme des die Gleichstellung Begehrenden ist.

Die Gleichstellung kann im Hinblick auf eine mögliche zukünftige Beendigung eines Arbeitsverhältnisses nicht vorbeugend im Hinblick auf etwaige Wettbewerbsnachteile bei dem Bestreben, eine andere Arbeitsstelle zu erlangen, zuerkannt werden.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16. September 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt seine Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen.

Bei dem am … 1969 geborenen Kläger, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, stellte das Landratsamt A. (LRA) mit Bescheid vom 31.03.2009 ein Grad der Behinderung (GdB) von 20 seit dem 29.01.2009 fest.

Am 29.01.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Er führte hierzu an, sein Arbeitsverhältnis bei der RMA B. GmbH & Co. KG (RMA GmbH), bei der er als CNC-Dreher beschäftigt sei, sei wegen seiner gesundheitlichen Einschränkungen und auch deswegen, weil sein Arbeitgeber weniger Aufträge erhalte, gefährdet. Er habe die Feststellung eines GdB von 30 - 40 beantragt.

Mit Bescheid vom 27.02.2009 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab, da, so die Beklagte, ein GdB von wenigstens 30 beim Kläger noch nicht festgestellt sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.06.2009 wies die Beklagte den vom Kläger erhobenen Widerspruch, der nicht begründet wurde, als unbegründet zurück. Die begehrte Gleichstellung setze voraus, dass ein GdB von wenigstens 30 anerkannt sei. Dies sei bei dem Kläger nicht der Fall.

Hiergegen hat der Kläger am 03.07.2009 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat er vorgetragen, er habe gegen den Bescheid des LRA Widerspruch eingelegt. Über diesen sei zwar noch nicht entschieden, aufgrund der Schwere seiner Leiden sei jedoch zu erwarten, dass ein GdB von mindestens 30 festgestellt werde. Wegen der bei ihm bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sei sein Arbeitsplatz gefährdet, es sei infolge einer Knieoperation zu einer Arbeitsunfähigkeitszeit vom 01.09.2008 - 12.01.2009 gekommen.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Sie hat hierzu darauf verwiesen, dass beim Kläger ein GdB von wenigstens 30 nicht festgestellt sei. Ferner sei nicht nachgewiesen, dass die festgestellten Behinderungen dazu führten, dass der Kläger seinen Arbeitsplatz nicht behalten könne.

Mit Gerichtsbescheid vom 16.09.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe, so das SG unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid vom 22.06.2009, keinen Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen.

Gegen den am 20.09.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14.10.2011 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung hat er zunächst darauf hingewiesen, dass das Verfahren gegen das Land Baden-Württemberg wegen der Höhe des beim ihm festzustellenden GdB, nachdem ein Widerspruch gegen den Bescheid vom 31.03.2009 mit Widerspruchsbescheid vom 14.07.2009 zurückgewiesen und nachdem eine hiergegen zum SG erhobene Klage (- S 3 SB 4094/09 -) mit Urteil vom 13.09.2011 abgewiesen wurde, nunmehr beim Landessozialgericht (LSG) Baden- Württemberg (- L 8 SB 4361/11 -) anhängig sei. Sodann wurde, nachdem das LRA mit Bescheid vom 04.10.2012 in Ausführung eines am 07.09.2012 vor dem LSG geschlossenen Vergleichs einen GdB von 40 seit dem 29.01.2009 festgestellt hat, ausgeführt, sein Arbeitsplatz sei gefährdet. Sein Arbeitgeber habe ihm unter dem 19.02.2009 die Kündigung ausgesprochen. Erst das Landesarbeitsgericht Baden- Württemberg (LAG) habe mit Urteil vom 01.04.2010 (- 9 Sa 81/09 -) entschieden, dass das Arbeitsverhältnis hierdurch nicht beendet worden sei. Der Arbeitgeber habe sodann das Arbeitsverhältnis erneut aus personen- und verhaltensbedingten Gründen mit Schreiben vom 18.05.2010 gekündigt. Die Kündigung sei wirksam. Bei einer Gleichstellung wäre die Kündigung nicht erfolgt, er wäre vielmehr teilzeitbeschäftigt worden. Auch sei ihm durch die Deutsche Rentenversicheru...

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