Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Zulassungsentziehung. Pflichtverstoß

 

Orientierungssatz

Zur Rechtmäßigkeit der Entziehung der Zulassung bei einem Vertragsarzt, der sich ua über das Gebot der Einhaltung der Grenzen des eigenen Fachgebietes hinweg gesetzt hat; eine unzulässige Zusatzbezeichnung führt; beleidigende Äußerungen gegenüber Mitarbeitern einer Kassenärztlichen Vereinigung vorgenommen und ein von der Kassenärztlichen Vereinigung ausgesprochenes Ruhen seiner Zulassung missachtet hat.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.10.2004; Aktenzeichen B 6 KA 67/03 R)

 

Tatbestand

Im Streit ist die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Zulassung des Klägers zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung.

Der am 2.3.1943 geborene Kläger, dem am 3.8.1971 die Approbation als Arzt erteilt wurde und dem die Landesärztekammer Baden-Württemberg -- Bezirksärztekammer Nord-Württemberg -- am 31.5.1976 die Anerkennung als Frauenarzt erteilte, nimmt seit 7.7.1976 als Frauenarzt an der vertragsärztlichen Versorgung mit dem Vertragsarztsitz Stuttgart teil.

I.

In der Vergangenheit war das Verhalten des Klägers mehrfach Gegenstand berufsgerichtlicher Verfahren. Dabei handelte es sich im Einzelnen um folgende Vorgänge:

1. Verurteilung des Bezirksberufsgerichts für Ärzte in Stuttgart vom 4. 5. 1994 (BBG 4/94) zu einer Geldbuße in Höhe von 3.000,-- DM wegen Übersehens einer Eileiterschwangerschaft. Nach den Regeln ärztlicher Kunst hätte er zumindest Ultraschalluntersuchungen durchführen oder veranlassen müssen. Erschwerend komme hinzu, dass er seiner ärztlichen Dokumentationspflicht nur sehr ungenügend nachgekommen sei. Wegen desselben Tatbestandes war der Kläger zuvor mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts Stuttgart/Bad Cannstatt am 15.6.1993 (B 1 Ds 324/93) wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 15.000 DM (50 Tagessätzen zu je 300,-- DM) verurteilt worden.

2. Verurteilung des Bezirksberufsgerichts für Ärzte in Stuttgart vom 29. 3.1995 (BBG 18/94) zu einer Geldbuße in Höhe von 5.000,-- DM. Er habe auf einem Rezeptvordruck neben seinem Namen und der Facharztbezeichnung Frauenarzt die Zusatzbezeichnung "Betriebsarzt" zugefügt. Diese Zusatzbezeichnung (sie laute nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer vom 1.3.1980 "Betriebsmedizin") habe der Arzt durch die Bezirksärztekammer Nord-Württemberg nicht verliehen erhalten. Sie dürfe außerdem nur an der Stätte der arbeitsmedizinischen Tätigkeit im Betrieb geführt werden. Wegen der hartnäckigen Weigerung des Arztes, die Führung dieser Bezeichnung zu unterlassen, habe der Kläger schuldhaft gegen die Berufsordnung und damit berufsunwürdig im Sinne von § 54 Abs. 2 Kammergesetz gehandelt.

3. Verurteilung des Bezirksberufsgerichts für Ärzte in Stuttgart vom 18.6.1997 (BBG 6/97) zu einer Geldbuße von 7.000,-- DM. Der Kläger habe trotz der Verurteilung vom 29.3.1995 im September 1996 gegenüber Kollegen den aufgedruckten bzw. aufgestempelten Briefkopf Frauenarzt/Betriebsarzt verwendet und auf einem mit dem Aufdruck Frauenarzt/Betriebsarzt/ambulante Operationen versehenen Rezeptvordruck gegenüber der Bezirksärztekammer Nord-Württemberg Widerspruch eingelegt.

4. Verurteilung des Bezirksberufsgerichts vom 25.11.1998 (BBG 8/98 i.V.m. BBG 17/98) zu einer Geldbuße von 10.000,-- DM. Der Kläger habe in einem Schreiben gegenüber der Bezirksärztekammer erneut einen Stempel mit dem Aufdruck Betriebsarzt verwendet. Außerdem seien im April 1998 im Flur seiner Praxis Informationsschriften mit dem Stempelaufdruck "Dr. med. Andreas Schunk, Frauenarzt/Betriebsarzt/ambulante Operationen" ausgelegt gewesen.

Die hiergegen beim Landesberufsgericht für Ärzte eingelegten Berufungen blieben erfolglos.

In den Quartalen 4/90 bis 4/92 (mit Ausnahme des Quartals 3/92) wurden die Honorarabrechnungen des Klägers wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise gekürzt. Die Kürzungen beliefen sich dabei zwischen 6.286 Punkten im Quartal 2/92 und 82.277 Punkten im Quartal 1/91. Für die Quartale 1/93 und 2/93 wurden dem Kläger Hinweise erteilt. Von späteren Wirtschaftlichkeitsprüfungen ist nichts bekannt. In den Quartalen 1/92 bis 1/93 wurden die Abrechnungen auch wiederholt sachlich-rechnerisch berichtigt. Der Kläger habe sich nicht an die Beschränkung auf sein Fachgebiet gehalten und auch Männer behandelt. Für die Quartale 1/92 bis 1/93 wurden insgesamt 104 Behandlungsausweise nicht vergütet. In dem folgenden Gerichtsverfahren nahm die KV Nord-Württemberg in 11 Fällen durch Teilanerkenntnis die Berichtigungen wieder zurück. Im Übrigen wurden die Berichtigungen durch die Gerichte bestätigt (Urteil des SG Stuttgart vom 18.1.1995 -- S 10 Ka 2145/93 und Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 24.1.1996 -- L 5 Ka 524/95). Auch im Quartal 2/93 wurden zunächst 10 Behandlungsausweise wegen Verstoßes gegen das Gebot der Fachgebietsbeschränkung nicht vergütet. In dem sich anschließenden Klageverfahren vor dem SG Stuttgart nahm die KV Nord-Württemberg in 4 Fällen die Berichtigung w...

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