Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. beitragsrechtliche Berücksichtigung einer arbeitsvertraglich vereinbarten Verringerung des Barlohns unter im Gegenzug vom Arbeitgeber gewährter lohnsteuerfreier oder pauschal besteuerter weiterer Leistungen. Zusätzlichkeitserfordernis

 

Leitsatz (amtlich)

Eine arbeitsvertraglich wirksam vereinbarte Verringerung des Barlohns unter im Gegenzug gewährter lohnsteuerfreier oder pauschal besteuerter weiterer Leistungen ist beitragsrechtlich zu beachten. Das Zusätzlichkeitserfordernis iSv § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SvEV erfordert in Abgrenzung zum Steuerrecht (BFH vom 19.9.2012 - VI R 54/11 = BFHE 239, 85) nicht, dass die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährten Leistungen ohne Rechtsanspruch vom Arbeitgeber freiwillig gewährt werden.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 11.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.08.2011 wird aufgehoben, soweit die Beklagte Beiträge nachfordert auf der Grundlage von monatlichem Einkommen von mehr als:

für den Beigeladenen zu 1)

 im Zeitraum 01.04.2008 bis 31.12.2009:

 39,20 €,

für den Beigeladenen zu 3)

 im Zeitraum 01.04.2008 bis 31.12.2009:

 87,20 €,

für die Beigeladene zu 4)

 im Zeitraum 01.04.2008 bis 31.12.2009:

 68,00 €,

für die Beigeladene zu 5)

 im Zeitraum 01.04.2008 bis 28.02.2009:

 18,00 €,

 im Zeitraum 01.03.2009 bis 31.12.2009:

 68,00 €,

für den Beigeladenen zu 6)

 im Zeitraum 01.04.2008 bis 31.12.2009:

 79,60 €,

für die Beigeladene zu 7)

 im Zeitraum 01.05.2008 bis 31.12.2009:

 50,00 €,

für den Beigeladenen zu 8)

 im Zeitraum 01.04.2008 bis 31.07.2008:

102,50 €,

 im Zeitraum 01.08.2008 bis 31.08.2008:

 10,00 €,

 im Zeitraum 01.09.2008 bis 31.07.2009:

102,50 €,

 im Zeitraum 01.08.2009 bis 31.12.2009:

 70,00 €,

für den Beigeladenen zu 10)

 im Zeitraum 01.04.2008 bis 28.02.2009:

 89,20 €,

für den Beigeladenen zu 12)

 im Zeitraum 01.07.2008 bis 31.08.2008:

 50,00 €,

 im Zeitraum 01.09.2008 bis 31.12.2009:

 70,00 €.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt 1/4, die Beklagte 3/4 der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 14.679,05 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen einer Betriebsprüfung über die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung iHv insgesamt 14.679,05 €.

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform der GmbH ein Gartencenter. Nachdem der Geschäftsführer der Klägerin bei einer Versammlung von Betreibern von Gartencentern von der Möglichkeit einer sogenannten Nettolohnoptimierung gehört hatte, nahm er Kontakt zur P. GmbH auf, um entsprechende Vorschläge erarbeiten zu lassen. Ziel der beworbenen “intelligenten Vergütungskonzepte„ war ein “Mehr Netto vom Brutto„ bei gleichzeitiger Entlastung der Lohnnebenkosten für das Unternehmern (vgl http://p..de/impressum.html abgerufen am 13.04.2016). Zum 01.04.2008 (teilweise später) erfolgte sodann eine Änderung der ursprünglichen Arbeitsverträge der bei der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmer, der Beigeladenen zu 1) bis 12), durch schriftliche ergänzende Vereinbarung. Der Bruttobarlohn wurde bei unveränderter Arbeitszeit reduziert und im Gegenzug erhielten die Arbeitnehmer in unterschiedlichem Umfang andere Leistungen wie Tankgutscheine, Internetzuschüsse, Restaurantschecks, Erholungsbeihilfen, Zuschüsse zu den Aufwendungen für die Betreuung von Kindern des Arbeitnehmers in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen, Aufwendungsersatz für die Reinigung von Berufskleidung und Personalgutscheine; diese Leistungen fielen laut Vereinbarung nicht unter den Freiwilligkeitsvorbehalt. Außerdem wurde die Zahlung eines einmaligen Zuschusses der Klägerin an die Arbeitnehmer im Falle einer betriebsbedingten Kündigung bestimmt; der Betrag werde ermittelt, wenn der Fall der Arbeitslosigkeit eintrete und beschränke sich auf den Höchstbetrag von 600 €. Für jeden der Beigeladenen zu 1) bis 12) wurde der Umfang der sonstigen Leistungen individuell schriftlich vereinbart.

Für die Vereinbarung der besonderen Leistungen wurden folgende Vertragsklauseln verwendet:

1. Personalrabatt

Der Arbeitgeber gewährt einen regelmäßigen Personalrabatt. Die Durchführung des Personalrabatts wird über einen Mitarbeitergutschein geregelt. Der absolute Betrag des Personalrabattes beträgt pro Monat 10,00 bzw 20,00 €. Arbeitgeber und Arbeitnehmer verständigen sich darauf, dass die Übergabe eines Gutscheins zusammen mit der monatlichen Lohnabrechnung zu erfolgen hat.

Die Durchführung des Personalrabattes erfolgt nach § 8 Abs 3 EStG iVm R 32 (bzw R 8.2) der LStR.

2. Gutscheine, Waren oder Dienstleistungsbezug

Der Arbeitgeber gewährt einen regelmäßigen Gutscheins-, Waren- oder Dienstleistungsbezug nach Wunsch des Arbeitnehmers. Arbeitgeber und Arbeitnehmer verständigen sich darauf,...

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