Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Leistungsbewilligung in Form eines Persönlichen Budgets. Befristung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein persönliches Budget darf befristet bewilligt werden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.01.2021; Aktenzeichen B 8 SO 9/19 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 5. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe eines persönlichen Budgets ab dem 1. Dezember 2012 sowie um dessen Befristung bis zum 31. Januar 2014.

Der Kläger ist 1942 geboren. Er ist gelernter Wirtschaftsingenieur und Psychologe. Er war bis zum Jahr 1994 als Psychologe tätig. Von 2000 bis Anfang 2003 bezog er zunächst laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz. Danach bezog er Grundsicherungsleistungen nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei dauernder Erwerbsminderung. Seit dem 1. Januar 2005 bezieht er Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) vom Beklagten. Außerdem bezieht er eine Altersrente.

Nach einer Stellungnahme des Herrn S. vom Medizinisch-Pädagogischen Dienst (MPD) des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) vom 28. August 2006 besteht beim Kläger ein Verdacht auf eine Persönlichkeitsstörung mit rezidivierender depressiver Symptomatik, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und Zöliakie. Eine wesentliche seelische Behinderung sei gegeben. Der Kläger müsse sich glutenfrei ernähren. Er brauche Hilfe bei der Herstellung von Ordnung in seiner Wohnung und motivierende Begleitung zur Wäschepflege. Zum Umgang mit Behörden und Banken müsse er erinnert werden. Wegen Verlustes der zeitlichen Orientierung bliebe dem Kläger nicht genügend Zeit zur Freizeitbeschäftigung. Er benötige Fahrmöglichkeiten zur Volkshochschule oder Backkursen, die er über Bekannte organisieren könnte. Mit Telefonkontakten gelinge es ihm, beratende und entlastende Gespräche zu führen, die zur Verbesserung seiner psychischen Beeinträchtigungen führen würden. Auch könne er sich durch ein Einwirken von außen Zeit zum Schlafen nehmen. Die Hilfebedarfserhebung habe eine Gesamtpunktzahl von 40 ergeben, was der Hilfebedarfsgruppe 2 entspreche.

Neben den Grundsicherungsleistungen erhält der Kläger vom Beklagten Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Form eines persönlichen Budgets. So wurde ihm für die Zeit vom 1. Dezember 2010 bis 30. November 2012 ein persönliches Budget in Höhe von monatlich 600,00 Euro bewilligt (Bescheid vom 2. Dezember 2010).

In einer Aufstellung seiner mit diesem persönlichen Budget finanzierten Ausgaben für den Zeitraum September 2011 bis November 2012 dokumentierte der Kläger u.a. Aufwendungen für eine Putzhilfe, Telefon, psychische Hilfen, Hilfen bei der Essenszubereitung und Nähen/Wäschepflege, Gemeinschaftsbeiträge, Fahrdienste und Fahrkarten, Gemeinschaftsessen, Porto, Zeitschriften, Eurhythmiekurs, Singen, Therme, Konzert, Übernachtung zur Ausstellung, Hilfe bei Einkäufen, Konflikten und Erinnern, Klavierstimmen, Ansparleistungen für Klavierreparatur und Reparaturen des E-Bike.

Am 29. Oktober 2012 und 14. Januar 2013 fanden zwischen den Beteiligten Hilfeplangespräche statt. Die wesentlichen Ergebnisse hielt der Beklagte in einem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 29. Januar 2013 fest, das eine Rechtsbehelfsbelehrung, wonach der Widerspruch statthaft sei, enthielt. Aufgrund der Diagnose „Verdacht auf Persönlichkeitsstörung mit rezidivierender depressiver Symptomatik“ liege eine wesentliche Behinderung bzw. eine drohende wesentliche Behinderung vor. Bis das Ergebnis einer erneuten Überprüfung vorliege, werde weiter von einer (drohenden) wesentlichen Behinderung aufgrund der vorliegenden Diagnose ausgegangen. Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung könnten nur für behinderungsbedingte Mehrbedarfe gewährt werden, die der Eingliederung in die Gesellschaft dienten. Leistungen zum Lebensunterhalt wie z.B. für Essen, Eintritte, Übernachtung, Telefon, Reparaturen des E-Bike, Mitgliedsbeiträge, Tagungen stellten keine behinderungsbedingten Mehrbedarfe dar und würden daher nicht im Rahmen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung übernommen. Leistungen im hauswirtschaftlichen Bereich wie z.B. Unterstützung bei der Raumpflege/Wäschepflege/Einkauf könnten im Rahmen der Eingliederungshilfe gewährt werden, sofern diese Unterstützung behinderungsbedingt erforderlich sei. In den Gesprächen am 29. Oktober 2012 und 14. Januar 2013 habe nicht festgestellt werden können, dass der Kläger diese Tätigkeiten aufgrund der vermuteten Persönlichkeitsstörung aktuell nicht ausführen könne. Es habe kein direkter Zusammenhang zwischen der (drohenden) wesentlichen seelischen Behinderung und der Fähigkeit im hauswirtschaftlichen Bereich begründet werden können. Eine wesentliche körperliche Behinderung sei beim Kläg...

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