Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunftskosten. fehlendes schlüssiges Konzept. Anwendung der Wohngeldtabelle. Sicherheitszuschlag

 

Leitsatz (amtlich)

Hat der Grundsicherungsträger kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten und kann ein solches auch nicht ermittelt werden, ist auch auf den seit 1.1.2009 zugrunde zu legenden Höchstbetrag der Tabellenwerte zu § 12 WoGG ein Zuschlag von 10 % vorzunehmen.

 

Normenkette

SGB II § 22 Abs. 1 S. 1, § 7 Abs. 1 S. 1; WoGG § 12; BGB §§ 558c, 558

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.12.2013; Aktenzeichen B 4 AS 87/12 R)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 22. November 2011 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Beklagte verurteilt wird, dem Kläger für die Zeit vom 01. Dezember 2009 bis 31. Mai 2010 monatlich weitere € 69,84 und für den Monat Juni 2012 weitere € 71,64 zu gewähren.

Der Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des klägerischen Anspruchs auf Leistungen für Unterkunft und Heizung vom 01.12.2009 bis 30.06.2010 nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der am 14.08.1947 geborene Kläger übte eine selbständige Tätigkeit aus. Als Tätigkeit hatte der Kläger in der Gewerbeanmeldung angegeben “Overnight-Transport-Service„ sowie “Markforschung und Service für verschiedene Institute„.

Mit Mietvertrag vom 11.08.2008 mietete der bis dahin in A./Landkreis Lindau wohnhafte Kläger ab dem 01.12.2008 eine Wohnung in B. mit einer Größe von 75 qm. Hierfür waren monatlich eine Kaltmiete von 380,- € sowie eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 80,- € zu entrichten.

Am 22.12.2008 erlitt der Kläger einen Herzinfarkt und befand sich sodann bis zum 30.12.2008 in stationärer Behandlung im Klinikum Kempten-Oberallgäu. Am 08.01.2009 meldete er seine Gewerbe zum 31.12.2008 ab.

Gleichfalls am 08.01.2009 beantragte der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Hierzu teilte er mit, er habe seine selbständige Tätigkeit wegen des Herzinfarkts aufgegeben. Die Kaltmiete für seine bisherige Wohnung in A. habe 725,- € betragen. Zum Zeitpunkt der Wohnungsanmietung am 08.11.2008 sei er davon ausgegangen, seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten zu können. Bisher habe er keine staatlichen Leistungen beantragt. Mit Bescheid vom 21.01.2009 bewilligte ihm der damals im Rahmen der getrennten Aufgabenwahrnehmung nur für die Kosten der Unterkunft zuständige Beklagte, der zum 01.01.2012 Optionskommune nach § 6a Abs. 2 SGB II geworden ist, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts durch Übernahme der Unterkunftskosten für die Zeit vom 30.12.2008 bis 31.12.2008 in Höhe von 31,38 €, vom 01.01.2009 bis 31.07.2009 in Höhe von monatlich 470,77 € und vom 01.08.2009 bis 31.12.2009 in Höhe von monatlich 335,77 €. Zur Begründung führte er aus, ab 01.08.2009 könne nur noch die angemessene Mietobergrenze (Kaltmiete) von 245,- € anerkannt werden.

Mit Schreiben gleichfalls vom 21.01.2009 forderte der Beklagte den Kläger zur Senkung der Unterkunftskosten auf und führte aus, mit einer Kaltmiete von 380,- € liege er um 135,- € über den angemessenen Unterkunftskosten.

Den hiergegen am 26.02.2009 erhobenen Widerspruch nahm der Kläger am 05.08.2009 zurück, nachdem der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 07.04.2009 wegen gesunkener Heizkosten die Leistungshöhe für die Zeit vom 01.05.2009 bis 31.07.2009 mit monatlich 457,61 € und vom 01.08.2009 bis 31.12.2009 mit monatlich 322,61 € festgesetzt hatte.

Mit Änderungsbescheid vom 10.08.2009 hob der Beklagte den Bescheid vom 07.04.2009 mit Wirkung ab 01.08.2009 auf und bewilligte vom 01.08.2009 bis 30.11.2009 rückwirkend Unterkunftskosten in Höhe von monatlich 457,61 €. Für den Monat Dezember 2009 verbleibe es bei den bewilligten 322,61 €. Der Kläger hat diesen Bescheid nicht angefochten.

Mit Bescheid vom 16.11.2009 hob der Beklagte den Bescheid vom 10.08.2009 mit Wirkung ab 01.12.2009 auf und bewilligte dem Kläger für Dezember 2009 Kosten der Unterkunft in Höhe von 330,71 €. Hiergegen legte der Kläger am 20.11.2009 Widerspruch ein.

Mit Bescheid vom 10.12.2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.12.2010 Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 330,71 €. Auch hiergegen legte der Kläger am 16.12.2009 Widerspruch ein.

Nach Anhörung des Klägers am 20.01.2010 wies der Beklagte die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 06.04.2010 zurück. Zur Begründung führte er u.a. aus, der Landkreis Ravensburg habe in jedem Einzelfall den unbestimmten Rechtsbegriff “Aufwendungen in angemessenem Umfang„ im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II ausgelegt und auf der Basis der örtlichen Mietpreisspiegel aus dem Jahre 2009 eine angemessene Mietobergrenze für jede Gemeinde im Landkreis Ravensburg bestimmt. Als räumlicher Vergleichsmaßstab sei eine Region mit ca. 75.000 Einwohnern, die Region Wangen, Leutkirch und B. umfassend, ...

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