Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung. schlüssiges Konzept. Geeignetheit des Mietspiegels der Stadt Freiburg. Heranziehung der Durchschnittswerte mit Abschlägen. Kostensenkungsverfahren. Zumutbarkeit des Umzugs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Mietspiegel der Stadt Freiburg 2007/2008 und 2009 liefert ein schlüssiges Konzept für die Festlegung der angemessenen Kosten der Unterkunft.

2. Jedenfalls dann, wenn ein Mietspiegel Durchschnittswerte ausweist und davon Zu- und Abschläge entsprechend der Wohnqualität vornimmt, ist der Durchschnittswert mit Abschlägen als Grundlage der abstrakten Angemessenheitsprüfung heranzuziehen.

 

Orientierungssatz

Zur Möglichkeit und Zumutbarkeit des Umzugs bzw der Kostensenkung gem § 22 Abs 1 S 3 SGB 2.

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 10.10.2017; Aktenzeichen 1 BvR 617/14)

BSG (Urteil vom 13.04.2011; Aktenzeichen B 14 AS 106/10 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme der vollen Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis 31. März 2009.

Die Klägerin ist 1950 geboren und seit 2002 ohne Beschäftigung. Nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I und Arbeitslosenhilfe bezieht sie seit 1. Januar 2005 Arbeitslosengeld II (Alg II). Sie bewohnt seit 1985 eine 76,83 qm große 3-Zimmerwohnung in F., für die sie seit 1. November 2007 497,- € Kaltmiete bezahlt, darüber hinaus eine Heizkosten- und Warmwasserpauschale von 37,50 € sowie weitere Nebenkosten (Betriebskosten) von monatlich 107,50 €. Die von der Klägerin bewohnte Wohnung liegt in einem zwischen 1961 und 1977 hergestellten Mehrfamilienhaus.

Für die Stadt Freiburg ist ein qualifizierter Mietspiegel erstellt. Für die Zeit ab 1. März 2007 (Datenerhebung im Juni und Juli bzw. September 2006) wies der Mietspiegel für eine 45 qm große Wohnung einen durchschnittlichen Basismietpreis von 7,51 € je qm aus. Zusätzlich werden für bestimmte Ausstattungsvarianten Zu- bzw. Abschläge vorgesehen. Im Textteil des Mietspiegels ist des Weiteren ausgeführt, dass auch der Freiburger Mietspiegel eine Spannbreite der Mietpreise ausweisen solle. In Abweichung vom Mietspiegel 2004, der konkrete Cent-Beträge als Spannengrenze vorgesehen habe, stelle man auf Prozentwerte um. Damit werde der bislang für alle Wohnungsgrößen gleiche bleibende feste Cent-Betrag an die Wohnfläche gekoppelt und mögliche Ungleichbehandlungen von Wohnungen ausgeschaltet. Die Berechnung der Standardschätzfehler für verschiedene Wohnungstypen habe Prozentwerte zwischen 3% und 9% um die durchschnittliche ortsübliche Vergleichsmiete bei Zugrundelegung einer Sicherheitswahrscheinlichkeit von 99% ergeben. Um keine anwenderunfreundlichen Differenzierungen vornehmen zu müssen, werde als einheitliche Ober- und Untergrenze der Spanne der höchste Wert, nämlich 9% verwendet. Entsprechende Ausführungen finden sich zum Mietspiegel 2009, wobei der durchschnittliche Quadratmeterpreis hier auf 7,87 € festgesetzt wird.

Der Klägerin wurden neben den Grundsicherungsleistungen zunächst die vollen Kosten der Unterkunft bezahlt, ab 1. Januar 2005 427,50 € Grundmiete, anteilige Heizkosten von 28,50 € sowie sonstige Nebenkosten von 114,18 €, insgesamt 570,18 €.

Mit Schreiben vom 8. August 2005 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass die Kosten der Unterkunft unangemessen hoch seien. Die Mietobergrenze sei ab 1. April 2003 auf 5,62 € je qm festgesetzt worden, so dass ihre Miete bei einer angemessenen Wohnungsgröße von 45 qm die Mietobergrenze um 174,60 € übersteige. Sie werde daher aufgefordert, binnen 6 Monaten die Unterkunftskosten zu senken bzw. nachzuweisen, dass sie kontinuierlich nach preisgünstigerer Wohnung gesucht, eine solche aber nicht gefunden habe. Zugleich wurde die Klägerin aufgefordert, sich beim städtischen Amt für Liegenschaften und Wohnungswesen sowie der F. Stadtbau GmbH wegen einer Sozialwohnung zu melden. Dieser Aufforderung kam die Klägerin im August 2005 nach. Auf ihren Folgeantrag übernahm die Beklagte auch ab April 2006 die tatsächlichen Kosten der Unterkunft. Unter dem 9. März 2006 wurde die Klägerin erneut unter Fristsetzung von 6 Monaten zur Kostensenkung aufgefordert.

Dagegen wandte sich die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten (Schriftsatz vom 6. April 2006) und brachte vor, ihre Mutter sei derzeit von Freitag bis Sonntag in der Wohnung; sie beabsichtige, ihre 83jährige Mutter ganz bei sich aufzunehmen, falls dies in den nächsten Jahren notwendig werden sollte. Angesichts des zudem günstigen Quadratmeterpreises der Wohnung sei diese angemessen.

Aktenkundig ist eine Gesprächsnotiz vom 27. März 2006, wonach die Klägerin bei der persönlichen Vorsprache mehrere Zeitungsausschnitte für Wohnungsangebote vorgelegt habe, um zu dokumentieren, dass es in Freiburg keinen Wohnraum für 5,6...

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