Entscheidungsstichwort (Thema)

Statusfeststellungsverfahren. Weiterleitung des Antrags von Einzugsstelle zur Deutschen Rentenversicherung Bund bei Beschäftigung eines Familienangehörigen. Beurteilung der Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit eines Minderheitsgesellschafters

 

Orientierungssatz

1. Zur Weiterleitung eines Antrags nach § 7a SGB 4 von der Einzugsstelle zur Deutschen Rentenversicherung Bund, wenn die Einzugsstelle ihre Kenntnisse über die verwandtschaftlichen Beziehungen (hier: Familienangehöriger des Geschäftsführers und Hauptgesellschafters einer GmbH) aus dem Antragsschreiben gewonnen hat.

2. Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht grundsätzlich nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter engen Verwandten im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (vgl BSG vom 21.4.1993 - 11 RAr 67/92 = SozR 3-4100 § 168 Nr 11). Ebenfalls unschädlich ist, wenn von dem Weisungsrecht - vor allem im fachlichen Bereich - nicht vollumfänglich Gebrauch gemacht wird.

3. Eine Sperrminorität, die sich auf die Festlegung der Unternehmenspolitik, die Änderung des Gesellschaftsvertrages und die Auflösung der Gesellschaft beschränkt, schließt die Annahme eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht aus (vgl BSG vom 24.9.1992 - 7 RAr 12/92 = SozR 3-4100 § 168 Nr 8). An dieser rechtlichen Situation ändert auch eine vorgelegte notariell beurkundete General- und Vorsorgevollmacht, die ein Geschäftsführer und seine Ehefrau ihren beiden Kindern zur gemeinsamen Vertretung erteilt haben, nichts.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.06.2016; Aktenzeichen B 12 R 5/14 R)

 

Tenor

Die Berufungen der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 20.10.2010 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin zu 2) bei der Klägerin zu 1) sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist.

Die Klägerin zu 1) ist eine Firma, die seit 1996 in der Rechtsform einer GmbH im Bereich des Modell- und Formenbaus für die Automobil-, Luftfahrt- und Maschinenbauindustrie tätig ist. Der Vater der Klägerin zu 2), J. G. N., ist Gesellschafter mit einem Anteil von 80 % sowie alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH. Von Beruf ist er Modellbaumeister. Nach der Satzung der GmbH werden Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, wobei nach Geschäftsanteilen abgestimmt wird (§ 8 Ziff 1, 2). Beschlüsse der Gesellschafterversammlung betreffend folgenden Inhalts bedürfen nach § 8 Ziff 5 der Satzung der Zustimmung von 81 % des gesamten Stammkapitals:

a) Errichtung und Aufgabe von Zweigniederlassungen; Gründung, Erwerb oder Veräußerung anderer Unternehmen oder Beteiligungen an solchen; Aufnahme und Aufgabe eines Geschäftszweiges; Eingehung von gesellschaftlichen Verhältnissen;

b) Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken, sowie grundstücksgleichen Rechten und Pflichten an Grundstücken;

c) Abschluss, Beendigung und Änderung von Miet-, Pacht- oder Leasingverträgen mit einer monatlichen Zahlungsverpflichtung von mehr als 1.000,00 Euro;

d) Bestellung sowie Abberufung von Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten;

e) Abschluss, Beendigung und Änderung von Beschäftigungsverträgen mit Arbeitnehmern oder freien Mitarbeitern, denen eine monatliche Vergütung von mehr als 2.500 Euro brutto zustehen soll, denen eine längere Kündigungsfrist als die gesetzliche eingeräumt werden soll, die am Gewinn oder Umsatz des Unternehmens beteiligt werden sollen, sowie die Beschäftigung des Ehegatten des Geschäftsführers, von Gesellschaftern oder von Personen, die mit einem Gesellschafter oder einem Geschäftsführer verwandt oder verschwägert sind.

f) Abschluss von Rechtsgeschäften, die im Einzelfall den Betrag von mehr als 20.000,00 Euro übersteigen; hiervon ausgenommen sind Wareneinkäufe für den üblichen Handelsbetrieb bis zu einem Höchstbetrag von 70.000,00 Euro;

g) Eingehen von Wechselverbindlichkeiten, Übernahme von Bürgschaftsverpflichtungen sowie die Abgabe von Garantieerklärungen, soweit nicht für einen bestimmten geschäftlichen Vorgang im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs erforderlich;

h) Inanspruchnahme und Gewährung von Krediten oder Sicherheitsleistungen, die im Einzelfall einen Betrag von 30.000,00 Euro überschreiten, soweit nicht in dem durch Gesellschafterbeschluss genehmigten Finanzplan vorgesehen; hiervon ausgenommen sind die laufenden Warenkredite im gewöhnlichen Geschäftsverkehr mit Kunden oder Lieferanten der Gesellschaft;

i) Abschluss, Beendigung und Änderung von Verträgen über Erwerb oder Veräußerung von Urheberrechten, gewerblichen Schutzrechten, Lizenzen, Know-how oder verwandten Rechten;

j) Abschluss, Beendigung oder Änderung von Unternehmensverträgen sowie Verträgen wettbewerbsbeschränkender Art;

k) Einleitung gerichtlicher oder schiedsgerichtlicher Verfahren sowie deren Beendi...

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