Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufskrankheit. Tatbestandsmerkmal. bandscheibenbedingte Erkrankung. Lendenwirbelsäule. sonstige Erkrankungen

 

Leitsatz (amtlich)

Folge einer Berufskrankheit iSd Nr 2108 der Anl zur BKV können nur bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule sein. Sonstige Gesundheitsstörungen im Bereich der Lendenwirbelsäule sind auch nicht wie eine Berufskrankheit (§ 551 Abs 2 RVO) zu entschädigen.

Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen einer bandscheibenbedingten Erkrankung.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule als Folge einer Berufskrankheit (BK) im Sinne der Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) festzustellen und dem Kläger deswegen Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren sind.

Der im Mai 1959 geborene Kläger war -- nach Abschluß seiner Lehre -- vom 20.06.1979 bis zum 17.08.1992 bei der Fa. L, U-W/Z als Zimmerer und Zimmerer-Vorarbeiter beschäftigt. Dabei mußte er nach der Auskunft des Arbeitgebers vom 26.03.1996 Bauholz und Ziegel mit einem Gewicht bis zu 40 kg monatlich 40 bis 150 Stunden heben und tragen. Ab August 1992 bis Dezember 1994 nahm der Kläger an einer von der Landesversicherungsanstalt Baden (LVA) geförderten Umschulung zum Bau-Techniker teil; danach nahm er ein Studium zum Bau-Ingenieur auf.

Am 19.12.1994 stellte der Kläger bei der Beklagten den Antrag, Wirbelsäulenveränderungen, die 1982 spürbar geworden seien, als Folge einer BK anzuerkennen und ihm Entschädigungsleistungen zu gewähren. Der Allgemeinmediziner Dr. D erstattete am 06.03.1996 eine ärztliche Anzeige über eine BK; der Kläger leide seit Jahren an Wirbelsäulenbeschwerden mit zunehmender Intensität während seiner Arbeitstätigkeit als Zimmerer-Polier. Seit frühester Jugend (vor Abschluß der Wachstumsphase) sei er dauernden mechanischen Belastungen durch schweres Heben bei Wind und Wetter, vor allem auch im Freien auf dem Dachstuhl, ausgesetzt gewesen. Hierauf zog die Beklagte ärztliche Unterlagen der LVA bei und holte die Auskünfte der Kaufmännischen Krankenkasse H Geschäftsstelle B vom 14.03.1996, der Fa. L vom 26.03.1996, des Orthopäden Prof. Dr. R vom 09.05.1996, des Allgemeinmediziners Dr. E vom 14.05.1996 und des Chirurgen Dr. D vom 14.05.1996 ein. Prof. Dr. R teilte mit, die röntgenologische und computertomographische Untersuchung der Lendenwirbelsäule im Januar 1992 habe keinen Bandscheibenvorfall in den Segmenten L3 bis S1 ergeben; medio-dorsal finde sich ein Osteophyt ohne direkte Berührung des Duralsacks L5/S1. Diese Gesundheitsstörung sei Folge muskulärer Verspannungen. Hierzu übersandte er den computertomographischen Bericht von Dr. V vom 22.01.1992. Dr. E bekundete, er habe den Kläger wegen belastungsabhängiger Rückenschmerzen behandelt; eine von ihm diagnostizierte Lumboischialgie sei Folge einer Wirbelsäulenüberlastung und Fehlhaltung. Dr. D berichtete, die Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule ließen sichere knöcherne Veränderungen nicht erkennen; es bestehe lediglich eine geringgradige Verschmälerung des Zwischenwirbelraums L5/S1. In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 17.06.1996 führte der Orthopäde Dr. N aus, die vorliegenden Röntgenaufnahmen sowie das Computertomogramm der Lendenwirbelsäule zeigten normale Zwischenwirbelräume und Wirbelkörper ohne Spondylosen, Osteochondrosen oder sonstige Vorerkrankungen. Bandscheibenschäden seien nicht nachzuweisen. Dem stimmte die Gewerbeärztin Dr. E zu (gewerbeärztliches Gutachten vom 19.07.1996). Gestützt auf das Ermittlungsergebnis lehnte die Beklagte die Anerkennung von Wirbelsäulenbeschwerden als Folge einer BK im Sinne der Nr. 2108 der Anlage zur BKV ab mit der Begründung, es fehle bereits am Nachweis von bandscheibenbedingten Veränderungen der Lendenwirbelsäule; die Beschwerden des Klägers seien ursächlich auf Muskelverspannungen zurückzuführen, die dieser bereits nach etwa fünf Jahren Berufstätigkeit geäußert habe (Bescheid vom 18.09.1996).

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung trug er im wesentlichen vor, seine behandelnden Ärzte hätten eine Wirbelsäulenerkrankung zweifelsfrei bestätigt; diese Gesundheitsstörung sei ausschließlich auf seine Arbeitsbelastungen (Heben und Tragen schwerer Lasten sowie Arbeiten im Freien) zurückzuführen. Seit dem Beginn seiner Umschulung bzw. des Studiums seien die Beschwerden nahezu vollständig zurückgegangen. Auch wenn es sich bei diesen Beschwerden nicht um eine bandscheibenbedingte Erkrankung handele, seien diese dennoch als Folge einer BK anzuerkennen, weil die Auswirkungen (= Schmerzen) für ihn dieselben seien wie bei einem Bandscheibenvorfall; die Schmerzen hätten sich immer dann verstärkt, wenn er nach einer Behandlungsphase erneut den vollen beruflichen Belastungen ausgesetzt gewesen sei. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 04.03.1997).

Deswegen erhob der Kläger am 24.03.1997 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), zu deren Begründ...

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