Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsweg. Streitigkeiten im Zusammenhang mit privater Pflegezusatzversicherung (hier: Beitragshöhe). keine Eröffnung des Sozialrechtswegs. Rechtswegeröffnung bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit einem Pflegeversicherungsvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für Streitigkeiten, die die Beitragshöhe einer privaten Pflegezusatzversicherung betreffen, ist der Sozialrechtsweg nicht eröffnet. Es handelt sich um eine bürgerrechtliche Rechtsstreitigkeit.

2. Für Streitigkeiten betreffend den Kontrahierungszwang, das Bestehen bzw Fortbestehen eines Pflegeversicherungsvertrags ebenso wie für Leistungsansprüche und die Geltendmachung von Beitragsansprüchen ist die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit begründet.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 12.01.2023; Aktenzeichen B 12 SF 1/21 R)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. April 2021 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die weitere Beschwerde zum Bundessozialgericht wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich mit der Beschwerde gegen die Verweisung der Rechtssache S 28 P 1101/21 an das Amtsgericht Waiblingen wegen Unzuständigkeit des beschrittenen Rechtswegs.

Die 1954 geborene Klägerin unterhält seit dem Jahr 2014 bei der Beklagten, einem privaten Krankenversicherungsunternehmen, eine Pflegepflichtversicherung. Darüber hinaus vereinbarte sie die ergänzenden Tarife PG (Ersatz von Aufwendungen für Pflege oder Pflegetagegeld; § 1 Abs. 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen [AVB] für die ergänzende Pflegekrankenversicherung, Stand 1. Juni 2018) und PZ (Pflegemonatsgeld oder Pflegetagegeld; § 3 Abs. 1 der AVB für die staatlich geförderte ergänzende Pflegeversicherung, Stand 1. Januar 2017), denen die AVB für die ergänzende Pflegekrankenversicherung (vgl. Bl. 15 bis 26 der SG-Akte) bzw. die AVB für die staatlich geförderte ergänzende Pflegeversicherung (vgl. Bl. 27 bis 40 der SG-Akte) zugrunde liegen. Der monatliche Beitrag für diese Tarife betrug bis Dezember 2020 insgesamt 121,88 €.

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2020 teilte die Beklagte die Klägerin mit, dass der Jahresbeitrag für ihren Vertrag ab 1. Januar 2021 insgesamt 1.925,85 € betrage. Gleichzeitig übersandte sie einen Versicherungsschein, der ab 1. Januar 2021 für die Tarife PG und PZ einen monatlichen Beitrag von insgesamt 166,81 € ausweist, sowie das Formular „Informationen zur Beitragsanpassung“, das nähere Ausführungen und Erläuterungen zu der erfolgten Beitragsanpassung enthält.

Die Klägerin erhob „Widerspruch“ gegen die Beitragserhöhung und machte nachfolgend durch ihre Prozessbevollmächtigte geltend, diese sei aufgrund mangelnder Begründung, fehlender Kalkulation und mangels Tarifwechsels bei gleichartigen Leistungen unwirksam.

Am 16. März 2021 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) mit dem Begehren Klage, festzustellen, dass die Erhöhung des Monatsbeitrags ab 2021 unwirksam und sie nicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrages von 44,93 € verpflichtet sei, sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr 539,16 € nebst Zinsen ab 1. Januar 2021 zu zahlen. Sie machte geltend, die Prämienkalkulation der privaten Pflegeversicherung unterliege strengen Vorgaben und die Begründung in dem Erhöhungsschreiben genüge mit der formelhaften Erläuterung den gesetzlichen Anforderungen nicht.

Die Beklagte trat der Klage mit dem Hinweis entgegen, der Rechtstreit betreffe nicht die private Pflegepflichtversicherung, sondern die hierzu vereinbarten ergänzenden Tarife, weshalb die Zuständigkeit der Zivilgerichtsbarkeit gegeben sei.

Mit Beschluss vom 14. April 2021 stellte das SG nach Anhörung der Beteiligten fest, dass der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit unzulässig sei; gleichzeitig verwies es das Verfahren an das Amtsgericht Waiblingen. Zur Begründung führte es aus, dem Verfahren liege kein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis zu Grunde, für das die Sonderzuweisung des § 51 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffne. Es handele sich nicht um eine Angelegenheit der privaten Pflegeversicherung im Sinn des § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Davon erfasst seien zwar auch Beitragsanpassungen der privaten Pflegepflichtversicherung, jedoch seien Streitigkeiten ausgenommen, die sich allein auf private Zusatzpflegeversicherungen beziehen. Da der Gegenstand der Streitigkeit ausgehend von dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezugs (166,81 € - 128,88 € = 44,93 € × 42 Monate = 1.887,06 €) den Wert von 5.000,00 € nicht übersteige und die Beklagte ihren Sitz in F habe, sei die Zuständigkeit des Amtsgerichts Waiblingen begründet.

Am 19. April 2021 hat die Klägerin dagegen beim SG Beschwerde zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und geltend gemacht, es gehe um eine Beitragserhöhung der privaten Pflegeversicherung und gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG entschieden die Sozialgerichte über öffentlich-rechtliche Streitigkeite...

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