Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. zulässiger Rechtsweg. Sozialgerichtsbarkeit. Rechtswegsperre. Streitigkeit über Ausschreibung durch gesetzliche Krankenversicherung. Rabattvertrag. Nichtanwendbarkeit des Vergaberechts gem GWB

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Rechtswegsperre nach § 17 Abs 1 GVG gilt auch für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges nach § 17a GVG, dh das zuerst angegangene Gericht, bei dem also das Verfahren zuerst rechtshängig geworden ist, entscheidet zunächst über die Zulässigkeit des Rechtsweges.

2. Für Streitigkeiten über die Ausschreibung durch die gesetzlichen Krankenkassen zum Abschluss von Rabattverträgen nach § 130a Abs 8 SGB 5 ist das Vergaberecht nach dem GWB nicht anwendbar und daher der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben. Eine Zuständigkeit der Vergabekammern und der Vergabesenate bei den Oberlandesgerichten besteht dagegen nicht.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 22.04.2008; Aktenzeichen B 1 SF 1/08 R)

 

Tenor

Die Beschwerden der Beklagten und der Beigeladenen Ziff. 1 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Dezember 2007 werden zurückgewiesen.

Die Beklagte und die Beigeladene Ziff. 1 tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der übrigen Beigeladenen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 500.000,00 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Im Hauptsacheverfahren (S 10 KR 8405/07) wenden sich die Klägerinnen (sämtlich AOK-Landesverbände der Bundesrepublik Deutschland) gegen das ihnen gegenüber von der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf ausgesprochene Verbot, für verschiedene Wirkstoffe Zuschläge auf Angebote von Pharmaunternehmen zum Abschluss von Rabattverträgen zu erteilen.

Die Klägerinnen haben gemeinsam unter Federführung der Klägerin Ziff. 1 (AOK Baden-Württemberg) für insgesamt 83 Wirkstoffe die auf dem Markt in Deutschland für diese Wirkstoffe tätigen in- und ausländischen Pharmaunternehmen mit Schreiben vom 3. August 2007 aufgefordert, bis zum 3. September 2007 12:00 Uhr ein entsprechendes - bis 31. Dezember 2007 verbindliches - Angebot für eine Rabattvereinbarung nach § 130 a Abs. 8 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2009 bei der Klägerin Ziff. 1 abzugeben (siehe Bl. 127 f. SG-Akte).

Aus den bis zum Ablauf der Angebotsfrist eingegangenen Angeboten wurden je Wirkstoff drei bis vier Pharmaunternehmen ausgewählt, mit denen Rabattverträge abgeschlossen werden sollten. Mit Schreiben vom 14. September 2007 (Bl. 178 f. SG-Akte S 10 KR 8404/07 ER bezüglich der Beigeladenen Ziff. 9) informierten die Klägerinnen alle Pharmaunternehmen, die ein Angebot abgegeben hatten, “im Vorgriff„ auf die zu erfolgenden Vertragsabschlüsse, die “14 Tage nach Absendung dieser Vorabinformation beabsichtigt„ seien. Eine Benennung der jeweils ausgewählten Parmaunternehmen enthielt dieses Schreiben nicht.

Daraufhin beantragte die Beigeladene Ziff. 1 (T. F.GmbH) mit Schreiben vom 25. September 2007 (Bl. 112 f. SG-Akte) bei der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens nach den §§ 102, 107 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) mit der Begründung, die Klägerinnen hätten mit ihrem Vorgehen gegen mehrere vergaberechtliche Vorgaben verstoßen.

Nach Beiladung von 31 Pharmaunternehmen untersagte die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf mit Beschluss vom 31. Oktober 2007 (Aktenzeichen VK-31/2007-L, Bl. 5 f. SG-Akte) den Klägerinnen (dort Antragsgegnerinnen), hinsichtlich der im Einzelnen bezeichneten Wirkstoffe auf die vorliegenden Angebote Zuschläge zu erteilen.

Die Vergabekammer vertrat hierbei die Auffassung, der Nachprüfungsantrag sei zulässig, eine vorrangige Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit bestehe nicht, auch sei ihre örtliche Zuständigkeit gegeben. Der für die Vergabe öffentlicher Aufträge maßgebende Schwellenwert von 211.000 € sei vorliegend überschritten. Die Klägerinnen seien auch öffentliche Auftraggeber, auch die Merkmale eines öffentlichen Auftrages (Leistungserbringung gegen Entgelt an einen öffentlichen Auftraggeber) lägen vor. Eine vergaberechtsfreie Dienstleistungskonzession liege hier ebenso wenig wie eine Bereichsausnahme nach § 100 Abs. 2 GWB vor.

Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet, da die Klägerinnen gegen das Gleichbehandlungs- und Transparenzgebot aus § 97 Abs. 1 GWB verstoßen hätten, indem sie das Kriterium der Produktbreite aufgestellt und gewertet hätten, das Daten beinhalte, die für die Bieter sowohl vor Erstellung ihres Angebotes wie nach Auswertung nicht zugänglich gemacht worden seien.

Zum weiteren Inhalt der Entscheidung wird auf den Inhalt des Beschlusses vom 31. Oktober 2007 (Bl. 5 f. SG-Akte) verwiesen.

Gegen diesen Beschluss haben die Klägerinnen beim Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf am 22. November 2007 sofortige Beschwerde eingelegt (Aktenzeichen VII Verg 44/07). In diesem Verf...

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