Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg bei Streitigkeiten um Rabattverträge
Orientierungssatz
Zum Rechtsweg für Streitigkeiten über die Ausschreibung durch die gesetzliche Krankenkasse zum Abschluss von Rabattverträgen nach § 130a Abs 8 SGB 5.
Tenor
Die Beschwerden der Beklagten und der Beigeladenen Ziff. 3, 4 und 5 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Dezember 2007 werden zurückgewiesen.
Die Beklagte und die Beigeladene Ziff. 3 bis 5 tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der übrigen Beigeladenen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 357.142,85 € festgesetzt.
Tatbestand
Im Hauptsacheverfahren (S 10 KR 8605/07) wenden sich die Klägerinnen (sämtliche AOK-Landesverbände der Bundesrepublik Deutschland) gegen das ihnen gegenüber von der Vergabekammer des Bundes bei dem Bundeskartellamt in den Vergabesachen VK 2 - 102/07, VK 2 - 105/07 VK 2 - 108/07, VK 2 - 114/07, VK 2 - 117/07, VK 2 - 120/07 und VK 2 - 123/07 jeweils ausgesprochene Verbot, für verschiedene Wirkstoffe Zuschläge auf Angebote von Pharmaunternehmen zum Abschluss von Rabattverträgen zu erteilen.
Die Klägerinnen haben gemeinsam unter Federführung der Klägerin Ziff. 1 (AOK Baden-Württemberg) für insgesamt 83 Wirkstoffe die auf dem Markt in Deutschland für diese Wirkstoffe tätigen in- und ausländischen Pharmaunternehmen mit Schreiben vom 3. August 2007 aufgefordert, bis zum 3. September 2007 12:00 Uhr ein entsprechendes - bis 31. Dezember 2007 verbindliches - Angebot für eine Rabattvereinbarung nach § 130 a Abs. 8 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2009 bei der Klägerin Ziff. 1 abzugeben (siehe Bl. 505 f. SG-Akte).
Aus den bis zum Ablauf der Angebotsfrist eingegangenen Angeboten wurden je Wirkstoff drei bis vier Pharmaunternehmen ausgewählt, mit denen Rabattverträge abgeschlossen werden sollten. Mit Schreiben vom 14. September 2007 (Bl. 178 f. SG-Akte im Parallelverfahren S 10 KR 8404/07 ER bezüglich der dortigen Beigeladenen Ziff. 9) informierten die Klägerinnen alle Pharmaunternehmen, die ein Angebot abgegeben hatten, "im Vorgriff" auf die zu erfolgenden Vertragsabschlüsse, die "14 Tage nach Absendung dieser Vorabinformation beabsichtigt" seien. Eine Benennung der jeweils ausgewählten Pharmaunternehmen enthielt dieses Schreiben nicht.
Daraufhin beantragten verschiedene Beigeladene bei der Vergabekammer des Bundes beim Bundeskartellamt die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens nach den §§ 102, 107 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) mit der Begründung, die Klägerinnen hätten mit ihrem Vorgehen gegen mehrere vergaberechtliche Vorgaben verstoßen.
Nach Beiladung von weiteren Pharmaunternehmen untersagte die 2. Vergabekammer des Bundes bei dem Bundeskartellamt auf die mündliche Verhandlung vom 24. Oktober 2007 mit Beschlüssen vom 15. November 2007 (Aktenzeichen VK 2 - 102/07, VK 2 - 105/07 VK 2 - 108/07, VK 2 - 114/07, VK 2 - 117/07, VK 2 - 120/07 und VK 2 - 123/07) den Klägerinnen (dort Antragsgegnerinnen), hinsichtlich der im Einzelnen bezeichneten Wirkstoffe auf die vorliegenden Angebote Zuschläge zu erteilen.
Die Vergabekammer vertrat hierbei die Auffassung, der Nachprüfungsantrag sei zulässig, auch sei ihre örtliche Zuständigkeit gegeben. Der für die Vergabe öffentlicher Aufträge maßgebende Schwellenwert von 211.000 € sei vorliegend überschritten. Die Klägerinnen seien auch öffentliche Auftraggeber, auch die Merkmale eines öffentlichen Auftrages (Leistungserbringung gegen Entgelt an einen öffentlichen Auftraggeber) lägen vor. Eine vergaberechtsfreie Dienstleistungskonzession liege hier ebenso wenig wie eine Bereichsausnahme nach § 100 Abs. 2 GWB vor. Eine vorrangige Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit bestehe nicht.
Streitigkeiten über die Vergabe von Rabattverträgen gesetzlicher Krankenkassen seien dem Kartellvergaberecht weder entzogen noch dem Rechtsweg vor die Sozialgerichte zugewiesen. Neben § 69 SGB V stehe der Vierte Teil des GWB, der für die Geltendmachung des Rechts auf Einhaltung der Vergabevorschriften bei der Vergabe öffentlicher Aufträge einen eigenständigen und ausschließlichen Rechtsweg begründe. In den Gesetzgebungsmaterialien zum Gesundheitsreformgesetz, durch den § 69 SGB V eingeführt worden sei, sei ein Verdrängungswille des Gesetzgebers bezüglich des geltenden Kartellvergaberechts nicht dokumentiert. Auch aus der späteren Einfügung der "entsprechenden Geltung" der §§ 19 bis 21 GWB in § 69 Abs. 1 Satz 2 könne nichts anderes abgeleitet werden. Auch aus den Entscheidungen des BSG (Urteil vom 25.09.2001, B 3 KR 3/01 R) und des BGH (Urteil vom 23.02.2006, I ZR 164/03) lasse sich Gegenteiliges nicht entnehmen. Diese Entscheidungen befassten sich lediglich mit der Nichtanwendbarkeit von Wettbewerbs- und Kartellrecht bei Streitigkeiten mit Leistungserbringern und ihrer einheitlichen Beurteilung allein nach öffentlichem (Sozial-)Recht. Da die Ri...