Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zum Lebensunterhalt. Leistungsausschluss für Ausländer ohne Aufenthaltsrecht oder bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. EuFürsAbk. erlaubter Aufenthalt. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Der Leistungsausschluss gemäß § 23 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB XII für Personen, die kein Aufenthaltsrecht haben oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, ist verfassungsgemäß.

 

Orientierungssatz

Für den zur Anwendung des Gleichbehandlungsgebots des Art 1 EuFürsAbk erforderlichen erlaubten Aufenthalt genügt nicht die von den materiellen Freizügigkeitsberechtigungen zu unterscheidende generelle Freizügigkeitsvermutung für EU-Ausländer. Für die "Erlaubnis" des Aufenthalts im Sinne des EuFürsAbk ist vielmehr eine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder ein anderes Aufenthaltsrecht erforderlich (vgl BSG vom 9.8.2018 - B 14 AS 32/17 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 57).

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 7. November 2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt K. wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).

Der Antragsteller ist 1978 geboren und Staatsangehöriger der Republik Portugal. Er reiste nach eigenen Angaben am 8. März 2018 - nach anderer eigener Darstellung am 29. März 2018 - aus Portugal auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und hält sich derzeit im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin auf.

Am 13. April 2018 beantragte der Antragsteller beim Jobcenter F. Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Dies lehnte das Jobcenter F. mit Bescheid vom 14. Mai 2018 ab, weil der Antragsteller über ein Aufenthaltsrecht nur zur Arbeitsuche verfüge. Widerspruch hiergegen erhob der Antragsteller nicht.

Am 6. August 2018 beantragte der Antragsteller Leistungen nach dem SGB XII bei der Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin lehnte dies mit Bescheid vom 5. Oktober 2018 ab. Der Antragsteller sei nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII von existenzsichernden Leistungen ausgeschlossen, weil er nur ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche bzw. möglicherweise mangels Arbeitsuche gar kein Aufenthaltsrecht habe. Ferner halte er sich noch nicht mindestens fünf Jahre in der Bundesrepublik Deutschland auf. Das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) vermittle dem Antragsteller keinen Leistungsanspruch. Denn dieses garantiere lediglich eine Gleichbehandlung mit Inländern, könne aber keinen eigenen Sozialhilfeanspruch vermitteln, der Inländern in dieser Form nicht zustehe.

Gegen den Bescheid vom 5. Oktober 2018 erhob der Antragsteller am 17. Oktober 2018 Widerspruch. Er habe einen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen aus dem EFA. Zumindest habe er Anspruch auf Übergangsleistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII.

Zudem hat der Antragsteller am 17. Oktober 2018 beim Sozialgericht Freiburg (SG) um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er sei im April 2018 kurzzeitig bei der Firma W. und im Juli 2018 bei Herr P. tätig gewesen. Seitdem bemühe er sich erfolglos um die Aufnahme einer Beschäftigung. Es bestehe jedenfalls ein Anspruch auf Übergangsleistungen. Unabhängig davon folge sein Leistungsanspruch aus Art. 1 EFA. Er halte sich auch erlaubt im Sinne des Art. 1 EFA in Deutschland auf, da er aufgrund seiner Arbeitsuche freizügigkeits- und damit aufenthaltsberechtigt sei (Art. 11 Abs. a EFA). Die Legalität seines Aufenthaltes folge jedenfalls aus Art. 11 Abs. b EFA, da eine Ausweisungsverfügung gegen ihn bislang nicht ergangen sei. Unter Umständen könne auch ein Anspruch gegen das Jobcenter F. bestehen, da er aufgrund der von ihm in Deutschland ausgeübten Tätigkeiten (noch) über einen fiktiven Arbeitnehmerstatus gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) verfügen könnte.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten, soweit Leistungen begehrt würden, die über einmonatige Überbrückungsleistungen hinausgingen.

Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 7. November 2018 abgelehnt und der Antragsgegnerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu einem Viertel auferlegt. Der Hauptantrag sei unbegründet. Der Antragsteller sei nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt ausgeschlossen. Er habe allenfalls ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche. Ein Leistungsanspruch folge auch nicht aus Art. 1 EFA. Hierdurch werde er nur inländischen erwerbsfähigen Personen unter 65 Jahren gleichgestellt, die aber keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII hätten. Hinsichtlich der hilfsweise beantragten Übergangsleistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 3, Abs. 3a SGB XII bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis mehr, nachdem die ...

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