Kommentar

Können Arbeitnehmer, die im Rahmen eines sogenannten Wellenstreiks in einer Schicht zum Teil gestreikt haben, für den Rest der Schicht, in dem sie nicht mehr streiken, sondern arbeiten wollen, vom Arbeitgeber nicht mehr beschäftigt werden, weil dieser die Arbeit anderweitig vergeben hat, verlieren sie ihren Lohnanspruch. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. In dem zugrundeliegenden Fall ging es um einen Arbeitnehmer, der in der Druckerei einer Tageszeitung arbeitete.

Diese Druckerei wurde nach einem Streikaufruf der Gewerkschaft in Form von Wellenstreiks bestreikt, d. h., in den verschiedenen Abteilungen des Betriebs wurde die Arbeit zu unterschiedlichen Zeiten kurzfristig niedergelegt. Für die verbleibende Zeit der Schicht lehnte der Arbeitgeber die Beschäftigung des Arbeitnehmers ab. Der Arbeitnehmer hatte zuvor gegenüber dem Arbeitgeber offengelassen, wann und ob er wieder arbeiten werde. Daher hatte der Arbeitgeber ein „Notprogramm” aufgestellt und im Rahmen dessen die Arbeit von Aushilfskräften ausführen lassen. Der Arbeitgeber verweigerte dem Arbeitnehmer für diese Zeit den Lohn. Die daraufhin vom Arbeitnehmer angestrengte Klage blieb ohne Erfolg.

Das BAG versagt dem Arbeitnehmer den Lohnanspruch in den Fällen, in denen es dem Arbeitgeber unmöglich oder nicht zuzumuten ist, die Arbeit anzunehmen. Und das war hier der Fall: der Arbeitgeber durfte ein „Notprogramm” aufstellen und es auch durchziehen, um die wirtschaftlichen Auswirkungen des Streiks auf seinen Betrieb zu begrenzen. Das folgt aus dem sogenannten Grundsatz der Kampfparität, der besagt, daß keiner Seite beim Arbeitskampf durch Gesetz und Rechtsprechung stärkere Kampfmittel zur Verfügung gestellt werden dürfen, als der Gegenseite.

Wäre aber dem Arbeitgeber versagt, die Folgen des Streiks durch ein „ Notprogramm ” aufzufangen, so hätten die Arbeitnehmer eine stärkere Position als die Arbeitgeber. Ist es aber dem Arbeitgeber gestattet, ein Notprogramm aufzustellen, muß er auch den Lohn für die Arbeitnehmer, die er deshalb nicht beschäftigen kann, verweigern dürfen.

 

Link zur Entscheidung

BAG, Urteil vom 12.11.1996, 1 AZR 364/96

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