Rz. 1

Das Fürstentum Liechtenstein verfügt über ein umfassendes Gesetzeswerk, welches das gesamte Gesellschaftsrecht umfasst.[1] Die zentralen wirtschaftsrechtlichen Vorschriften werden mittlerweile mehrfach pro Jahr, auch aufgrund des europäischen Einflusses, geändert. 529 Landesgesetzblätter wurden im Jahr 2020 ausgegeben, im Jahr 2014 waren es noch 366. Das Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR) vom 20.2.1926[2] als Herzstück des Gesellschaftsrechts wurde in einer Reform im Jahre 1980 wesentlich verändert. In den Jahren 2000 und 2001/2003 traten weitere wesentliche Änderungen im Zuge der Anpassungsbemühungen an die EWR-Bestimmungen in Kraft. Nach einer langen Debatte trat zum 1.4.2009 die Reform des Stiftungsrechts, normiert in Art. 552 §§ 1 ff. PGR, in Kraft.[3] Danach war es im Gesellschaftsrecht kaum ruhiger, da auch die GmbH grundlegend reformiert wurde. Daneben wurden die Entwicklung des Steuerrechts und die dortige Anpassung an weltweite Rechtshilfestandards vorangetrieben.[4] Die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften widersprechen dem Rechtsinstitut der Formstrenge: Im Gegenteil sind Gestaltungen möglich, die die Rechtsformen flexibel ausgestalten und auf individuelle Bedürfnisse anpassen.

 

Rz. 2

Daneben ist das Gesetz über die Landes- und Gemeindesteuern (Steuergesetz) von ausschlaggebender Bedeutung, das durch ein jährliches Finanzgesetz ergänzt wird.[5] Im Jahr 1992 wurden die Gesetze über die Treuhänder, über die Rechtsanwälte und über die Banken und Finanzgesellschaften neu gefasst und nunmehr den europäischen Anforderungen angepasst. Über die im Jahr 1994 eingeführte Mehrwertsteuer werden nun die dritthöchsten Einnahmen des Staates generiert (2014: 192 Mio. CHF, 2019: 223,7 Mio. CHF), angeführt von der Kapital- und Ertragssteuer (jetzt: Vermögens- und Erwerbssteuer) mit Einnahmen i.H.v. 263,7 Mio. CHF, 2015 noch 150 Mio. CHF und der Ertragssteuer der Unternehmen (2019: 263,7 Mio. CHF). Die Gesamteinnahmen des Staates beliefen sich im Jahr 2019 auf 970 Mio. CHF.

 

Rz. 3

Liechtenstein hat die Anzahl der in einzelnen Gesellschaftsformen gegründeten Gesellschaften jahrelang nicht veröffentlicht, es gar als Staatsgeheimnis behandelt. Nunmehr werden die Zahlen jährlich im Geschäftsbericht von Landtag, Regierung und Gerichte[6] publiziert.

 
Rechtsform Stand 1.1.2009 Stand 31.12.2014 Stand 31.12.2019
Einzelfirmen 437 542 542
Vereine 166 270 352
AG 7.518 5.758 4.982
Europäische AG 3 6 14
GmbH 89 174 638
Anstalt 14.578 8.461 5.249
Eingetragene Treuhänderschaften 2.914 2.265 1.663
Eingetragene Stiftungen 1.499 1.765 1.789
Besondere Rechtsformen 2.569 2.455 k.A.
Zweigniederlassungen EWR 14 11 22
Zweigniederlassungen außerhalb EWR 90 96 112
Hinterlegte Stiftungen und Treuhänderschaften (nicht eingetragene Stiftung) 48.980 20.317 9.239
Total 78.907 41.249 25.983

Die Anzahl der Stiftungen schrumpfte weiter, wurde aber – wie es das neue Stiftungsrecht vorsieht – statistisch differenziert in Stiftungen, die als gemeinnützige Stiftungen der Stiftungsaufsicht unterliegen (1.618 Stiftungen zum 31.12.2009, 1.765 per 31.12.2014, 1.789 per 31.12.2019) und den privatnützigen (Familien-)Stiftungen. Da die Anstalt fast stiftungsähnlich ausgestaltet werden kann, ist die Abnahme von 14.578 auf 8.461 (2019: 5.249) zwar dramatisch, aber nachvollziehbar.

 

Rz. 4

Angelehnt an das schweizerische Recht, das eine gesellschaftsrechtliche Typenvermischung teilweise ausdrücklich verbietet (Art. 594 Abs. 2 OR schloss dies früher ausdrücklich aus), ist eine Vermischung der Rechtsformen, etwa als GmbH & Co. KG, in Liechtenstein nicht gebräuchlich. Gesetzlich wäre sie allerdings nicht verboten (Art. 733 PGR). Die praktische Bedeutung ist jedenfalls nicht gegeben, da das liechtensteinische Gesellschaftsrecht eine Vielfalt anderer Rechtsformen in ausreichender Anzahl bereithält.

[1] Zum liechtensteinischen Gesellschaftsrecht siehe Wagner, Bankenplatz Liechtenstein, S. 29 ff.; Wagner/Plüss, Handels- und Wirtschaftsrecht in der Schweiz und Liechtenstein, S. 110 ff.
[2] LGBl 1926 Nr. 4, zuletzt geändert LGBl 2020 Nr. 369.
[3] LGBl 2008 Nr. 220; hierzu ausführlich Wagner, RIW 2011, 110 ff. Aktuell Schauer/Heiss/Lorenz, Kommentar zum liechtensteinischen Stiftungsrecht, 2. Aufl. 2021.
[4] Art. 1025 ff. PGR zur GmbH, LGBl 2010 Nr. 352.
[5] LGBl 1961 Nr. 6 (Steuergesetz), Revision im Jahr 2010 durch LGBl 2010 Nr. 358, zul. geänd. LGBl 2020, Nr. 503; LGBl 2020 Nr. 345 (aktuelles Finanzgesetz); LGBl 1993 Nr. 42 i.d.F. LGBl 2010 Nr. 391 (Treuhändergesetz), zul. geänd. LGBl 2020 Nr. 386; LGBl 1992 Nr. 108 i.d.F. LGBl 2011 Nr. 8 (Bankgesetz), zul. geänd. LGBl 2020 Nr. 391; LGBl 2000 Nr. 163, revidiert durch LGBl 2009 Nr. 330 zum 1.1.2010 (MwStG), zul. geänd. LGBl 2020 Nr. 402.
[6] Rechenschaftsbericht Landtag, Regierung und Gerichte; zul. 2019, S. 130.

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