Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu Gefahr im Verzug und zur Annahme eines Beweisverwertungsverbotes bei einer Durchsuchung

 

Tenor

Es wird festgestellt, dass die am 07.12.2009 durch die Polizei Rotenburg/Wümme angeordneten Durchsuchungen der Personen und Sachen der Angeklagten rechtswidrig waren.

Die aufgrund dieser Durchsuchungen erfolgten Beschlagnahmen der in den Niederschriften vom 07.12.2009 (Bl 11, 12-13 und 14-15 der FA 09- 12-07-01) einzeln aufgeführten Gegenstände werden richterlich bestätigt.

Die am B. Dezember 2009 durch die Polizei Rotenburg/Wümme erfolgte Durchsuchung des PKW VW Passat mit dem litauischen Kennzeichen XXXXX und die Beschlagnahme der darin aufgefundenen und im Sicherstellungsprotokoll vom selben Tag (BI. 18 der FA 09-12-07-01) aufgelisteten Gegenstände war rechtswidrig. Die Beschlagnahmeanordnung wird aufgehoben.

 

Gründe

Mit ihren Anträgen vom 05.07.2010 (Anlagen 25 und 29 zum Hauptverhandlungsprotokoll) begehren die Angeklagten die gerichtliche Entscheidung nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO dahingehend, dass die am 07.12.2009 durch die Polizeibeamten der PI Rotenburg angeordneten Durchsuchungen ihrer Personen sowie des von ihnen genutzten PKW VW Passat und die Beschlagnahmen der dabei aufgefundenen Geldbeträge, wie sie in den Sicherstellungsprotokollen einzeln aufgeführt wurden, rechtswidrig waren. Weiter beantragen sie die gerichtliche Entscheidung nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO, dass die am 08.12.2009 erfolgte erneute Durchsuchung. des PKW und die Beschlagnahme der im Sicherstellungsprotokoll vom 08.12.2009 aufgeführten Gegenstände aus dem PKW rechtswidrig waren.

Die Kammer ist gemäß § 98 Abs. 2 Sätze 2 und 4 StPO als das mit der Sache befasste Gericht zur Entscheidung über die Anträge berufen.

Der Umstand, dass die zugelassene Anklage derzeit vor der Kammer verhandelt wird, steht der Zulässigkeit der Anträge nicht entgegen (vgl. OLG Frankfurt vom 02.12.2005 - 3 Ws 972/05 und 3 Ws 1021/05 m.w.N.). Die Kammer bejaht auch trotz des zeitlichen Abstands zwischen den Durchsuchungen bzw. Beschlagnahmen und der Antragstellung das Rechtsschutzbedürfnis der Angeklagten an einer gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen (vgl. LG Berlin vom 09.03.2005 - 528 Qs 49/04).

Die Anträge sind jedoch nur zum Teil begründet.

1.

Soweit sie die am 07.12.2009 angeordneten Durchsuchungen der Personen und des PKW der Angeklagten betreffen, war die Rechtswidrigkeit dieser Maßnahmen festzustellen.

Zwar bestand aufgrund der Angaben des Zeugen Y., die dieser um 17:52 Uhr telefonisch gegenüber der Polizei in Rotenburg gemacht hatte, es sei unmittelbar zuvor in der Brauerstraße in Rotenburg möglicherweise zu einem lnverkehrbringen von Falschgeld gekommen und zwei männliche Personen seien mit einem PKW VW Passat mit dem litauischen Kennzeichen XXXXX vom Tatort in Richtung Rotenburger Innenstadt flüchtig, - ein Anfangsverdacht gegen beide Angeklagten für eine Straftat nach § 146 StGB. Als die Streifenwagenbesatzung PK F. und PKin K den vorgenannten PKW tatsächlich wenige Minuten später mit zwei männlichen Personen, bei denen es sich um die beiden Angeklagten handelte, im Gegenverkehr feststellten, wurde der Anfangsverdacht noch dadurch verstärkt, dass der Angeklagte L als Beifahrer aus dem Fahrzeug ausstieg, nachdem der Streifenwagen unter Einschalten des Blaulichts gewendet hatte. Er erweckte dadurch den Eindruck, fliehen zu wollen. Darüber hinaus gab der Zeuge F, der den Angeklagten gefolgt war, gegenüber den Polizeibeamten vor Ort an, soeben beobachtet zu haben, dass der Fahrer des litauischen Fahrzeugs einen Gegenstand aus dem Fenster geworfen habe.

Das Erfordernis einer Durchsuchungsanordnung zum Zwecke des Auffindens von Falschgeld entfiel auch nicht etwa deshalb, weil die Angeklagten in die Durchsuchung "einwilligten". Entgegen der von den Zeugen PK F und PK' in K erstellten Niederschriften (BI. 11 und 13 der FA 09-12-07-01) geht die Kammer aufgrund der Angaben dieser und anderer Zeugen in der Hauptverhandlung davon aus, dass die Angeklagten die Durchsuchungen nicht ausdrücklich "gestatteten", sondern lediglich passiv hinnahmen.

Eine richterliche Durchsuchungsanordnung, wie § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO sie grundsätzlich vorsieht, lag nicht vor.

Die durch die Polizeibeamten erlassenen Durchsuchungsanordnungen waren nicht durch die rechtmäßige Inanspruchnahme ihrer sich aus § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO ergebenden Eilkompetenz gedeckt.

Nach dem eingeschränkten Prüfungsmaßstab, den die Kammer insoweit zugrunde zu legen hat. (vgl. BVerfG NJW 2008, 3053 f.) können die Anordnungsvoraussetzungen lediglich nach Aktenlage beurteilt werden. Die Anordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft und - nachrangig (vgl. BVerfG NJW 2005, 1637 f.) - ihrer Hilfsbeamten besteht nur bei Gefahr im Verzug. Diese liegt vor, wenn die richterliche Anordnung nicht eingeholt werden kann, ohne den Zweck der Maßnahme zu gefährden. Die Annahme von "Gefahr im Verzug" muss mit Tatsachen begründet werden, wobei die handelnden Beamten die Bezeichnung des Tatv...

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