Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den beklagten Rechtsanwalt auf Schadensersatz in Anspruch mit der Begründung, eine vom Beklagten für die Klägerin ausgesprochene Kündigung sei der zu kündigenden Mitarbeiterin zu spät zugegangen, so dass die Klägerin genötigt gewesen sei, im Rahmen eines Arbeitsgerichtsstreites eine erhebliche Abstandszahlung zu leisten.

Am 22.09.1999 erhielt der Beklagte den Auftrag, die Angestellte H. B. zu kündigen. Ursache der Kündigung war, dass Frau B. mit Herrn A. dem seinerzeit ebenfalls gekündigten Geschäftsführer der Klägerin, ein Verhältnis hatte (sie ist jetzt dessen Ehefrau); Grund für die Kündigung waren verschiedene Unregelmäßigkeiten im Arbeitsbereich von Frau B.

Der Beklagte, von Beruf Rechtsanwalt, verfasste unter dem 30.09.1999 das Kündigungsschreiben und warf dieses vor Zeugen gegen 14.00 Uhr in den Briefkasten von Frau B. die seit 23.09.1999 zwangsbeurlaubt war.

Frau B. widersprach der Kündigung und erhob Kündigungsschutzklage, zu deren Begründung sie vorbrachte, bei Zugang der Kündigung, der erst zum 01.10.1999 anzunehmen sei, sei sie bereits schwanger gewesen, so dass die Kündigung nach den Vorschriften des Mutterschutzgesetzes nicht habe wirksam werden können.

Das Arbeitsgericht Stuttgart (…) stellte mit Urteil vom 04.05.2000 fest, dass Frau B. Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der am 30.09.1999 ausgesprochenen Kündigung zum 31.10.1999 geendet habe. Im Berufungsverfahren – an dem der Beklagte nicht beteiligt war – schlossen die Streitparteien einen Vergleich, aufgrund dessen die Klägerin Frau B. 95.000,– DM bezahlte.

Die Klägerin verlangt vorliegend einen Teil dieses Schadens vom Beklagten ersetzt mit der Begründung, dass er die auftragsgemäße Kündigung nicht schon vor dem 30.09.1999 rechtswirksam erklärt habe.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zur Zahlung von 20.000,– DM zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins ab 24.01.2001 zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte macht geltend, die von ihm verfasste und am 30.09.1999 in den Briefkasten der Mitarbeiterin geworfene Kündigung sei noch am gleichen Tag wirksam geworden; § 9 MSchG sei nicht einschlägig, weil die Kündigung schon vor Bestehen der Schwangerschaft wirksam zugegangen sei. Im übrigen sei die Kündigung ohnedies unbegründet gewesen, weil die Kündigungsgründe vor dem Hintergrund der arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzvorschriften, die auf das Arbeitsverhältnis von Frau B. anwendbar gewesen seien, unbegründet gewesen wäre. Abgesehen davon, dass das Arbeitsgericht zu Unrecht bereits den 01.10.1999 als ersten Tag von Frau B. Schwangerschaft angenommen habe, habe er für die arbeitsrechtlich widrigen Folgen dieser Schwangerschaft nicht einzustehen, weil sie weder für die Klägerin, noch für ihn noch sonst jemand vorhersehbar gewesen wäre. Schließlich stehe der Klägerin auch kein Anspruch zu, weil ihm das Mandat damals nach Entlassung des Geschäftsführers nicht von einem zur Vertretung der Klägerin befugten Organ erteilt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Partei Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist abzuweisen, weil die vom Beklagten in Ausübung seines Mandates ausgesprochene Kündigung der zu kündigenden Mitarbeiterin noch wirksam am 30.09.1999 zugegangen ist.

1. Bei einer Kündigung handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung im Sinne des § 130 Abs. 1 BGB. Diese ist dem Empfänger zugegangen, sobald sie in verkehrsüblicherweise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn eine Nachricht in den Briefkasten des Empfängers gelangt ist.

a) In Fortsetzung der Rechtsprechung des Reichsgerichts (vgl. RGZ 90, 20 ff.) hat der Bundesgerichtshof (BGH VersR 94, 586) hinsichtlich des Zugangs die Einschränkung vorgenommen, dass ein Zugang dann (noch) nicht in Betracht komme, wenn nach den Gepflogenheiten des Geschäftslebens nicht davon ausgegangen werden könne, dass an einem Samstag oder Sonntag in der Hauptstelle oder einer Bezirksdirektion eines Versicherungsunternehmens größeren Zuschnitts Mitarbeiter mit Zuständigkeit für die Kenntnisnahme von Geschäftspost anwesend seien; Folge dieser Einschränkung sei, dass der Zugang eines „außerhalb der Geschäftsstunden zugetragenen Schriftstücks” grundsätzlich nicht vor Beginn der Geschäftsstunden am nächsten Arbeitstag anzunehmen sei.

b) Die arbeitsrechtliche Rechtsprechung geht grundsätzlich davon aus, dass bei einem Einwurf in einen Hausbriefkasten die Willenserklärung dem Empfänger zugegangen ist, weil der Empfänger dann im Anschluss an die üblichen Zustellzeiten vom Inhalt der Willenserklärung Kenntnis nehmen kann (vgl. BAG NJW 97, 146). Nach dieser Entscheidung kommt es also entscheidend darauf an, dass der potentielle Empfänger nach der üblichen Zustellzeit Kenntnis nehmen kann und es sich selbst zuzuschreiben hat, wenn er nicht tatsächlich Kennt...

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