Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis einer unfallursächlichen HWS-Verletzung. Deliktsrecht. Notwendigkeit der Zurückverweisung an das Gericht erster Instanz wegen noch ausstehender umfangreicher Beweisaufnahme

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Führung des Nachweises einer unfallursächlichen HWS-Verletzung.

 

Normenkette

ZPO §§ 286, 522 Abs. 1 S. 2, § 529 Abs. 1 Nr. 1, § 538 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

AG Saarbrücken (Urteil vom 20.12.2007; Aktenzeichen 5 C 748/07)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 20.12.2007 (5 C 748/07) wird insoweit als unzulässig verworfen, als sich die Klägerin gegen die Abweisung ihres Anspruchs auf Zahlung einer Kostenpauschale von 25 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.05.2007 wendet. Im Übrigen wird das Urteil nebst dem zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin macht Schmerzensgeldansprüche aus eigenem Recht sowie aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns nebst einer Kostenpauschale aus einem Auffahrunfall geltend, der sich am 7.3.2007 in Saarbrücken ereignet hat. Die volle Haftung des Erstbeklagten als Fahrer sowie der Zweitbeklagten als Haftpflichtversicherung des auffahrenden Lkws steht zwischen den Parteien außer Streit. Die Klägerin war Beifahrerin in dem von ihrem Ehemann geführten und zum Unfallzeitpunkt stehenden Pkws.

Die Klägerin hat unter Beweisantritt behauptet, sie und ihr Ehemann hätten unfallbedingt eine HWS-Distorsion erlitten, die Klägerin zudem eine posttraumatische Insertionstendopathie (ITP) am Dornfortsatz C 7/Th 1. Die unfallbedingte MdE habe bei der Klägerin vom 7.3.2007 bis 8.4.2007, bei ihrem Ehemann vom 7.3.2007 bis zum 18.3.2007 100 % und jeweils für weitere 14 Tage zu 20 % betragen. Als Schmerzensgeld hält sie einen Betrag von 900 Euro bzw. von 750 Euro betreffend ihren Ehemann für angemessen.

Die Beklagte hat behauptet, bei dem klägerischen Pkw sei durch den Aufprall eine Geschwindigkeitsänderung von nur 3–5 km/h eingetreten, so dass eine Verletzung ausgeschlossen sei.

Das Erstgericht hat die Klage abgewiesen. Dazu hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe den ihr obliegenden Vollbeweis i.S.d. § 286 ZPO nicht geführt, unfallbedingt eine HWS-Distorsion erlitten zu haben. Dagegen spreche bereits der ärztliche Bericht des erstbehandelnden Arztes …, der lediglich das Vorhandensein subjektiver Symptome bescheinigt habe. Daher sei auch das Beweisangebot, den Arzt als Zeugen zu vernehmen, ungeeignet. Nach dem Röntgenbild seien keine Anzeichen einer knöchernen Verletzung sichtbar. Letztlich handele es sich um eine Verdachtsdiagnose. Die von der Klägerin geschilderten Beeinträchtigungen könnten alle möglichen Ursachen haben, so dass auch der zeitliche Zusammenhang zu dem Unfallereignis kein schlüssiges Indiz für die Unfallbedingtheit darstellte. Bei der Klägerin und ihrem Ehemann seien weder Übelkeit, noch Erbrechen oder Schluckbeschwerden aufgetreten. Für die Einholung weiterer technischer oder medizinischer Gutachten fehle es an den erforderlichen Anknüpfungstatsachen. Die diagnostizierte Steilstellung der Wirbelsäule gäbe aus wissenschaftlicher Sicht keinen hinreichenden Anhaltspunkt für eine unfallbedingte Verletzung.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren ursprünglichen Klageantrag weiter. Sie rügt, das Amtsgericht habe die Anforderungen an den Nachweis einer HWS-Distorsion überspannt. Die Klägerin habe die Verletzungen substanziiert dargelegt und unter Beweis gestellt. Die Röntgenaufnahme habe eine Stauchverletzung der Klägerin erwiesen. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts, das vorgelegte Attest widerlege eine HWS-Verletzung, sei unhaltbar. Nach der Auffassung des Amtsgerichts sei der Nachweis einer HWS-Verletzung mangels bildgebender Verfahren schlechthin unmöglich. Der Erstrichter hätte somit den klägerseits zur Unfallursächlichkeit angebotenen Beweis erheben müssen; stattdessen habe er sich eine besondere Fachkenntnis angemaßt, welche er im medizinischen Bereich nicht habe.

 

Entscheidungsgründe

II.

Soweit die Klägerin sich gegen die Abweisung der geltend gemachten Kostenpauschale von 25 Euro nebst Zinsen wendet, ist die Berufung bereits gem. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, denn es fehlt insofern an einer Berufungsbegründung. Auf die im Übrigen zulässig erhobene Berufung ist das angefochtene Urteil nebst dem zugrunde liegenden Verfahren insoweit aufzuheben und der Rechtsstreit gem. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO an das Amtsgericht zurückzuverweisen, da das Verfahren im ersten Rechtszug an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich ist.

1. Das Berufungsgericht ist gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, soweit n...

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