Entscheidungsstichwort (Thema)

Integritätsinteresse bei Eigenreparatur

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Anforderungen an die Feststellung eines hinreichenden Integritätsinteresses, wenn das beschädigte Fahrzeug nicht repariert wurde und der Geschädigte vorträgt, eine Eigenreparatur durchführen zu wollen, aber aus finanziellen Gründen nicht durchführen zu können.

 

Normenkette

BGB § 249 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Sätze 1-2, §§ 286, 288, 637 Abs. 3, § 767; UStG § 25a

 

Verfahrensgang

AG Neunkirchen (Urteil vom 02.04.2009; Aktenzeichen 13 C 934/08)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Neunkirchen vom 2. April 2009 – 13 C 934/08 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert, und die Beklagten werden gesamtschuldnerisch unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 1.350,00 EUR und vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten von 186,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus beiden Beträgen seit dem 20. Dezember 2008 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 30 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 70 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin macht restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am … in … auf dem Gelände der Firma … ereignete und für den die Beklagten in vollem Umfang einstandspflichtig sind.

Sie behauptet, sie beabsichtige, das Fahrzeug in eigener Regie zu reparieren. Dies sei ihr angesichts ihrer Einkünfte von – unstreitig – 75,00 EUR Praktikantenvergütung und 164,00 EUR Kindergeld nicht möglich, da ihr aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation kein Kredit zur Vorfinanzierung gewährt werde. Der Restwert belaufe sich entsprechend dem von ihr vorgelegten Parteigutachten des Sachverständigen … auf 500,00 EUR.

Erstinstanzlich hat sie auf der Grundlage des vorgelegten Gutachtens voraussichtliche Reparaturkosten (2.599,23 EUR), Wertminderung (200,00 EUR) und eine Auslagenpauschale (25,56 EUR) abzüglich Restwert (500,00 EUR) und abzüglich gezahlter 419,00 EUR zuzüglich vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten und Zinsen geltend gemacht.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, das Fahrzeug der Klägerin habe noch einen Restwert von 2.350,00 EUR. Sie meinen, die Klägerin könne nur Abrechnung auf der Grundlage einer Ersatzbeschaffung verlangen, da sie ihr Integritätsinteresse nicht durch eine Reparatur betätigt habe.

Das Erstgericht, auf dessen Feststellungen Bezug genommen wird, hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die fiktive Abrechnung auf Gutachtenbasis sei ausnahmsweise nicht zu beanstanden, obwohl der Bruttoreparaturschaden den Bruttowiederbeschaffungsaufwand übersteige. Der Wille der Klägerin, das Fahrzeug weiter zu nutzen, habe sich dadurch manifestiert, dass sie das Fahrzeug weiter vorhalte. Das Interesse des Schädigers, mehr als den Wiederbeschaffungswert nur zahlen zu müssen, wenn das Fahrzeug repariert und weitergenutzt wird, müsse hinter das Interesse des Geschädigten zurücktreten. Der Schädiger, der das Rückforderungsrisiko trage, sei durch die Möglichkeit der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 BGB geschützt. Zudem stehe ihm bei Nichtdurchführung einer fachgerechten Reparatur ein Rückforderungsanspruch zu. Insoweit sei die Situation mit der einer Vorschussklage nach § 637 Abs. 3 BGB vergleichbar. Bei der Schadensbemessung sei der Restwert außer Betracht zu lassen.

Mit der hiergegen gerichteten Berufung begehren die Beklagten die Abweisung der Klage. Sie beanstanden die vorgenommene Abrechnung auf Reparaturkostenbasis und meinen, mit der Vollstreckungsgegenklage könnten im Vorprozess vorgetragene Einwendungen nicht mehr geltend gemacht werden. Es wäre der Klägerin möglich gewesen, gegenüber dem Haftpflichtversicherer eine Reparaturkostenzusage für eine Werkstattreparatur einzuholen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch nur einen Teilerfolg.

1. Zu Recht beanstanden die Berufungskläger, dass das Amtsgericht sie zur Leistung von Schadensersatz auf der Grundlage fiktiver Reparaturkosten verurteilt hat.

a) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Erstgericht davon aus, dass Reparaturkosten, die über dem Wiederbeschaffungswert liegen, diesen jedoch um nicht mehr als 30 % übersteigen, ersetzt verlangt werden können, wenn der Geschädigte ein dahingehendes Integritätsinteresse betätigt.

aa) Gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ist der Geschädigte, der es nach einem Sachschaden selbst in die Hand nimmt, den früheren Zustand herzustellen, berechtigt, vom Schädiger den dazu erforderlichen Geldbetrag zu verlangen. Bei einem Sachschaden an einem Kraftfahrzeug kann der Geschädigte grundsätzlich wahlweise entweder die Kosten für die Reparatur oder für die Anschaffung eines (gleichwertigen) Ersatzfahrzeugs verlangen (BGHZ 162, 161 ff.).

bb) Dabei kann d...

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