Leitsatz (amtlich)

Das auf eine unwirksame Vereinbarung zurückgehende, gleichwohl aber im Grundbuch eingetragene Sondernutzungsrecht wird von dem Gutglaubensschutz des § 892 BGB erfasst und kann deshalb grundsätzlich von dem Erwerber des Miteigentumsanteils, dem das vermeintliche Sondernutzungsrecht zugewiesen wurde, gutgläubig erworben werden.

 

Verfahrensgang

AG München (Urteil vom 06.08.2010; Aktenzeichen 481 C 240/10 WEG)

 

Tenor

I. Das Urteil des Amtsgerichts München vom 06.08.2010 wird in Ziffer I des Tenors dahingehend abgeändert, dass die Beklagten verurteilt werden, den Keller Nr. 2/33 im Anwesen A-str. 15 gemäß dem angehefteten Lageplan zu räumen und an die Kläger herauszugeben.

II. Die Kostenentscheidung des Urteils im Amtsgerichts (Ziffer II des Tenors) wird aufgehoben. Die Kosten beider Instanzen tragen die Kläger zu 20 % und die Beklagten zu 80 %.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 EUR (8.000 EUR Herausgabe und 2.000 EUR Beseitigung) festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313a I 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft nicht in Betracht kommt: Die Revision wurde nicht zugelassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 62 Abs 2 WEG n. F. ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Streitigkeit nach § 43 Nr. 1 WEG handelt (Spielbauer/Then, WEG, § 62 Rz. 6).

 

Entscheidungsgründe

II.

Nachdem die Klagepartei die Klage bezüglich des Beseitigungsbegehrens in der mündlichen Verhandlung am 14.02.2011 mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen hat, war nur noch über den Herausgabeanspruch bezüglich des Kellerraums zu entscheiden. Insoweit hat die zulässige Berufung Erfolg. Die Kläger haben einen Anspruch gegen die Beklagten auf Herausgabe des Kellerraums gemäß § 985 BGB.

Die Kläger sind als Miteigentümer anspruchsberechtigt. Die Beklagten haben kein Besitzrecht an dem Kellerraum, weil den Klägern hieran ein Sondernutzungsrecht, mithin ein Alleinbesitzrecht zusteht. Dabei kann hier dahinstehen, ob durch den Nachtrag zur Teilungserklärung vom 01.02.2005 ein Sondernutzungsrecht rechtswirksam begründet wurde. Denn auch wenn das zu verneinen wäre, weil etwa die Eigentümer bei der Errichtung dieses Nachtrags zur Teilungserklärung nicht wirksam vertreten wurden, hätten die Kläger das Sondernutzungsrecht jedenfalls gutgläubig erworben gemäß §§ 873, 892 BGB.

1. Die Kläger haben im Jahr 2009 den Miteigentumsanteil Nr. 33 gemäß § 873 BGB erworben. Am 12.10.2009 wurden sie als Miteigentümer im Grundbuch eingetreten.

2. Damit haben sie zugleich auch das Sondernutzungsrecht an dem Keller Nr. 33 redlich erworben, § 892 BGB.

a) Das auf eine unwirksame Vereinbarung zurückgehende, gleichwohl aber im Grundbuch eingetragene Sondernutzungsrecht wird von dem Gutglaubensschutz des § 892 BGB erfasst und kann deshalb grundsätzlich von dem Erwerber des Miteigentumsanteils, dem das vermeintliche Sondernutzungsrecht zugewiesen wurde, gutgläubig erworben werden (OLG Stuttgart NJW-RR 1986, 318; BayObLG DNotZ 1990, 381, 382 f.; Bärmann/Klein, WEG, 11. Aufl., § 13 Rz. 127 f.; a.A. Weitnauer, DNotZ 1990, 385, 389 f.; offen gelassen von OLG München, Beschluss vom 31.07.2007, Az. 34 Wx 59/07, Rz. 18, zit. nach juris; Spielbauer/Then, WEG, § 13 Rz. 38 a.E.).

(1) Zwar kann ein Sondernutzungsrecht schon allein durch schuldrechtliche Vereinbarung begründet werden und stellt mithin ein rein schuldrechtliches Gebrauchsrecht dar (BGH NJW 2000, 3643, 3645; Häublein, Sondernutzungsrechte und ihre Begründung im Wohnungseigentumsrecht, S. 13, 57). Die Grundbucheintragung ist für das Entstehen des Sondernutzungsrechts nicht konstitutiv (Abramenko, in: Riecke/Schmid, WEG, 3. Aufl., § 13 Rz. 33).

(2) Dieser Befund rechtfertigt es aber nicht, die Anwendbarkeit des § 892 BGB auf das eingetragene, auf eine (unwirksame) Vereinbarung zurückgehende Sondernutzungsrecht zu verneinen (so aber Weitnauer, DNotZ 1990, 385, 390).

Denn entscheidend für die Anwendbarkeit des § 892 ist grundsätzlich, dass die Eintragung des betreffenden Rechts zulässig ist, das Recht also eintragungsfähig ist (Palandt/Bassenge, 70. Aufl., § 892 Rz. 10; Bärmann/Klein, WEG, 11. Aufl., § 13 Rz. 127). Denn dann nimmt das Recht, einmal eingetragen, am öffentlichen Glauben des Grundbuchs gemäß § 891 BGB teil (Staudinger/Gursky, § 891 Rz. 6).

Nun sind zwar rein schuldrechtliche Rechtsbeziehungen, etwa das Mietverhältnis, grundsätzlich nicht eintragungsfähig und können also nicht Gegenstand des redlichen Erwerbs nach § 892 BGB sein (Staudinger/Gursky, § 891 Rz. 6). Das gilt aber nicht ausnahmslos und gerade für das auf Vereinbarung beruhende Sondernutzungsrecht ist das anders: Dieses Recht ist trotz des Charakters als rein schuldrechtliches Gebrauchsrecht eintragungsfähig. Das ergibt sich aus § 10 III WEG. Demnach begründet die Eintragung die Wirkung des auf Vereinbarung beruhenden Sondernutzungsrechts gegenüber Rechtsnachfolgern (BGH NJW 2000, 3643, 364...

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