Verfahrensgang

AG München (Aktenzeichen 65 VI 6326/02)

 

Tenor

I. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 4) vom 14. August 2002 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 195.000,– EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

1. Die verwitwete Erblasserin ist am 27. oder 28. April 2002 im Alter von 76 Jahren verstorben. Ihr leiblicher Sohn ist kinderlos vorverstorben. Die 1946 geborene Beteiligte zu 1) ist ihre Adoptivtochter, die Annahme als Kind wurde mit Beschluss des Amtsgerichts vom 8. Juli 1994 ausgesprochen. Die 1967 geborene Beteiligte zu 2) ist die Tochter der Beteiligten zu 1), die minderjährige Beteiligte zu 3) ihre Enkeltochter, die gesetzlich allein durch die Beteiligte zu 2) vertreten wird. Die 1959 geborene Beteiligte zu 4) war der Erblasserin durch eine enge freundschaftliche Beziehung verbünden; die Erblasserin hatte beabsichtigt, sie zu adoptieren.

2. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus einem Einfamilienhaus, Bankguthaben und Wertpapieren sowie einer Darlehensforderung gegen die Beteiligte zu 4).

3. Mit notariellem Testament vom 23. August 2001 setzte die Erblasserin die Beteiligte zu 1) und die Beteiligte zu 4) als Erben zu gleichen Teilen ein, ferner ordnete sie im Wege des Vorausvermächtnisses zu Gunsten der Beteiligten zu 4) ein lebenslanges unentgeltliches dingliches Wohnrecht in dem Wohnhaus an. Weiter ist im Testament bestimmt: „Ersatzerbbestimmungen werden nicht getroffen.”

4. Die Beteiligte zu 1) hat am 24. Juni 2002 zur Niederschrift des Nachlassgerichts nach Belehrung über die Wirkung und Uhwiderruflichkeit die Erbschaftsausschlagung erklärt, die wie folgt protokolliert wurde: „Die angefallene Erbschaft schlage ich aus, soweit sie auf dem notariellen Testament vom 23.08.2001 beruht”. Eine gleich lautende Erklärung gab die Beteiligte zu 2) im selben Termin ab, sowohl für sich selbst als auch als alleinige gesetzliche Vertreterin der Beteiligten zu 3).

5. Mit notarieller Urkunde vom 25. Juli 2002 hat die Beteiligte zu 2) die Anfechtung der Erbausschlagung für sich und ihre Tochter mit der Begründung erklärt, sie habe geglaubt, dass die Ausschlagung mit Wirkung für sie und ihre Tochter notwendig Bei, damit ihre Mutter den unbeschwerten Pflichtteil geltend machen könne. Mit der gleichen Urkunde begehrt sie die Erteilung eines Erbscheins, der sie und die Beteiligte zu 4) als Miterbinnen zu je ½ ausweist.

6. Die Beteiligte zu 4) hat am 14. August 2002 beantragt, ihr einen Erbschein zu erteilen, der sie – nach der Ausschlagung durch die Beteiligten zu 1) bis 3) – als Alleinerbin ausweist.

7. Mit Beschluss vom 26. November 2002 hat das Amtsgericht die Erteilung eines Erbscheins angekündigt, der die Beteiligte zu 4) als Alleinerbin ausweist. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, die Ausschlagungserklärungen seien wirksam; ein Anfechtungsgrund liege nicht vor: Die Fehlvorstellungen bezüglich des Pflichtteilsanspruchs stellten einen unbeachtlichen Motivirrtum dar.

8. Auf die von den Beteiligten zu 1) bis 3) gegen diesen Beschluss des Amtsgerichts eingelegte Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 17. Dezember 2003 den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und das Nachlassgericht angewiesen, der Beteiligten zu 2) einen Erbschein zu erteilen, der sie als Miterbin zu 1/2 ausweist. Mit Beschluss vom 28. Januar 2004 hat das Amtsgericht der Beteiligten zu 2) einen entsprechenden gemeinschaftlichen Erbschein erteilt.

9. Gegen die Entscheidung des Landgerichts hat die Beteiligte zu 4) weitere Beschwerde eingelegt mit dem Antrag; den Beschluss vom 17. Dezember 2003 aufzuheben, ferner den inzwischen der Beteiligten zu 2) erteilten Erbschein einzuziehen und daß Nachlassgericht anzuweisen, der Beteiligten zu 4) einen Alleinerbschein zu erteilen.

10. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat mit Beschluss vom 14. Dezember 2004 (Az: 1Z BR 065/04, abgedruckt in FGPrax 2005, 71) die Beschlüsse des Amtsgerichts München vom 26. November 2002 und des Landgerichts München I vom 17. Dezember 2003 aufgehoben, das Amtsgericht angewiesen, den der Beteiligten zu 2) erteilten Erbschein einzuziehen sowie die Sache zur neuen Entscheidung über die Erbscheinsanträge der Beteiligten zu 2) und 4) an das Landgericht München I zurückgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Annahme des Landgerichts, die Beteiligte zu 2) sei als Ersatzerbin an Stelle ihrer Mutter, die die Erbschaft ausgeschlagen, habe, Erbin geworden, treffe nicht zu. Die Erblasserin habe im notariellen Testament vom 23. August 2001 ausdrücklich verfügt, dass Ersatzerbbestimmungen nicht getroffen würden. Dies bedeute, dass die Erblasserin – notariell beraten – keine Ersatzerbfolge habe anordnen wollen. Bei der Beurteilung der Erbfolge sei demnach – ein Wegfall der als Miterbin eingesetzten Beteiligten zu 1) infolge Ausschlagung unterstellt – von den Regelungen über die Anwachsung gemäß § 2094 BGB auszugehen.

Allerdings begegne auch die Annahme des Landgerichts Zweifeln, die Ausschlagung der Beteiligten zu 1) sei wirksam....

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