Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur fristlosen Kündigung wegen erheblicher Vertragsverletzung

 

Orientierungssatz

1. Der Aufruf eines Mieters an die Mitmieter, ihn im Kampf gegen die Willkür des Vermieters zu unterstützen, stellt zwar eine erhebliche Verletzung des Mietvertrages dar, rechtfertigt aber dennoch nicht eine fristlose Kündigung.

2. Der Vermieter muß den geltend gemachten Eigenbedarf beweisen. Wird der Beweisantrag aus grober Nachlässigkeit erst in der letzten mündlichen Verhandlung gestellt, so ist die Klage abzuweisen.

 

Tatbestand

Die Beklagten haben im Hause der Kläger in M. eine Wohnung gemietet.

Mit Schreiben vom 31. Dezember 1973 haben die Kläger den Mietvertrag fristlos gekündigt mit der Begründung, die Beklagten hätten sich so schwerwiegender Vertragsverletzungen schuldig gemacht, daß eine Fortsetzung des Mietverhältnisses als unzumutbar erscheine. Hilfsweise haben sie die Kündigung auf Eigenbedarf gestützt mit der Begründung, die Wohnung werde dringend für die 77-jährige Mutter, die gebrechlich sei, benötigt.

Das Amtsgericht hat durch Urteil vom 31. Oktober 1974 dem Räumungsbegehren der Kläger stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, aufgrund der von den Beklagten im Hause des Klägers angebrachten Aushänge, auf deren Inhalt verwiesen wird, sei davon auszugehen, daß die Beklagten sich solch schwerwiegender Vertragsverletzungen schuldig gemacht hätten, daß den Klägern eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zumutbar sei.

Gegen dieses am 8. November 1974 zugestellte Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe zum Zwecke der weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, richtet sich die am 5. Dezember 1974 eingelegte und am 30. Dezember 1974 begründete Berufung der Beklagten.

Sie tragen vor:

Die Aushänge vom 6. Oktober 1972, aufgrund derer das Amtsgericht in erster Linie die fristlose Kündigung für gerechtfertigt erachtet habe, seien nicht geeignet, eine erst am 31. Dezember 1973 ausgesprochene Kündigung zu begründen.

Die Kündigung könne auch nicht auf Eigenbedarf gestützt werden, da ein solcher tatsächlich nicht vorliege.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie machen sich den Inhalt des angefochtenen Urteils zu eigen, beziehen sich auf ihr Vorbringen erster Instanz und führen ergänzend aus:

Eine wesentliche Vertragsverletzung durch die Beklagten liege insbesondere darin, daß sie durch die Aushänge die Mitmieter zum Kampf gegen die angebliche Willkür der Kläger aufgerufen hatte. Außerdem hätten sie das Mietobjekt nicht sorgfältig behandelt. Schließlich sei der Beklagte zu 1) in verschlossene Räume der Kläger eingedrungen, habe Sachbeschädigungen begangen und sei gegen den Kläger zu 1) tätlich geworden.

Die Kläger seien auch berechtigt, den Mietvertrag wegen Eigenbedarf zu kündigen, da die Mutter der Klägerin zu 2) wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes dringend darauf angewiesen sei, in die in der Parterre gelegene von den Beklagten innegehabte Wohnung zu ziehen.

Wegen des Sachverhaltes im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Urkunden, insbesondere auf den Inhalt der Akten des Amtsgerichts St.-Goarshausen - 5 C 59/72 - sowie auf die zu den Sitzungsniederschriften getroffenen Feststellungen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist an sich statthaft (§§ 511, 511a ZPO) sowie formgerecht und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 516, 518, 519 ZPO).

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Die Kläger sind nicht berechtigt, den Mietvertrag gem § 554a BGB fristlos zu kündigen.

Hiernach kann ein Mietverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn ein Vertragsteil schuldhaft in einem solchen Maße seine Verpflichtungen verletzt, daß dem anderen Teil die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Die Aushänge vom 6. Oktober 1972, in denen der Beklagte zu 1) erklärt, der Hauswirt könne sein Besichtigungsrecht nur nach vorheriger Anmeldung ausüben, und die Mitmieter bittet, ihn im Kampf gegen die Willkür des Vermieters zu unterstützen, stellt zwar eine erhebliche Verletzung des Mietvertrages dar. Sie rechtfertigen aber dennoch nicht die fristlose Kündigung.

Das auf schuldhafte Vertragsverletzungen seitens des Mieters beruhende Kündigungsrecht des Vermieters muß alsbald ausgeübt werden, dh im unmittelbaren Anschluß an das pflichtwidrige Verhalten. Wenn sich der Vermieter mit der Ausübung des Kündigungsrechtes Zeit läßt, so ist dies ein Anzeichen dafür, daß er die Verhaltensweise des Mieters nicht für so schwerwiegend hält, daß ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Er zeigt dann selbst, daß er trotzdem an dem Mietvertrag festhalten kann (vgl Roquette, Mietrecht, § 554a Anm 28).

Im vorliegenden Falle stammen die Aushänge vom 6. Oktober 1972. Die Kl...

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