Entscheidungsstichwort (Thema)

Sofortiges Anerkenntnis im Räumungsprozeß

 

Orientierungssatz

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

1. Ein vorprozessuales oder im schriftlichen Vorverfahren erklärtes Anerkenntnis des Räumungsanspruchs des Vermieters ist nicht Voraussetzung eines sofortigen Anerkenntnisses im ersten Verhandlungstermin des Räumungsprozesses.

2. Der vorprozessuale Widerspruch gegen die Kündigung aus Härtegründen in Verbindung mit einem begründeten befristeten Fortsetzungsverlangen rechtfertigt eine Kostenverteilung nach ZPO § 93b, wenn das Gericht den Mieter gemäß seinem sofortigen Anerkenntnis zur Räumung unter Gewährung einer Räumungsfrist verurteilt.

 

Gründe

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Die zulässige (§ 99 Abs. 2 Satz 1 ZPO) sofortige Beschwerde des Klägers gegen die Kostenentscheidung im Anerkenntnisurteil des AG Neuwied v. 24.11.1987 ist nicht begründet.

Denn das AG hat zu Recht dem Kläger in Anwendung von § 93b Abs. 3 ZPO die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Die genannte Bestimmung war beim hier zu beurteilenden Sachverhalt anwendbar. Dabei wird nicht verkannt, daß dem Tenor des amtsrichterlichen Urteils die Gewährung einer Räumungsfrist (§ 721 ZPO) nicht mit der wünschenswerten Eindeutigkeit zu entnehmen ist. Den von den Parteien gestellten Anträgen und dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist jedoch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß die Beklagten nicht etwa zur künftigen Räumung der Wohnung (§ 259 ZPO), sondern zur Räumung unter Gewährung einer Räumungsfrist verurteilt worden sind.

Die somit zu Recht auf § 93b Abs. 3 ZPO gestützte amtsrichterliche Ermessensentscheidung ist nicht zu beanstanden. Bei ihr kommt es vor allem darauf an, ob und in welchem Maße die Parteien sich bemüht haben, einen Rechtsstreit durch ein ernsthaftes vorprozessuales Gespräch über den begehrten Räumungsaufschub zu vermeiden.

Hierbei ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. LG Mannheim MDR 1970, 333), daß die gesamten Kosten dem Vermieter aufzuerlegen sind, wenn er das formell ordnungsmäßige und sachlich begründete Räumungsfristbegehren des Mieters ignoriert, ein partnerschaftliches Gespräch darüber ablehnt und statt dessen alsbald nach Ablauf der Kündigungsfrist die Räumungsklage erhebt.

Eine angemessene Kostenteilung kommt vor allem dann in Betracht, wenn der Vermieter nach Ablauf der Kündigungsfrist mit dem Mieter über dessen Räumungsschwierigkeiten verhandelt, stillschweigend oder ausdrücklich einen Räumungsaufschub gewährt hat und sodann im Hinblick auf die noch immer ungeklärten Erfolgsaussichten der anderweitigen Wohnraumsuche des Mieters den Eindruck gewinnen durfte, daß die Räumung ungebührlich verzögert werde.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt ergibt, daß der Amtsrichter zu Recht dem Kläger die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt hat. Durch Schreiben v. 25.6.1987 hatte der Mieterbund Neuwied-Koblenz im Auftrag der Beklagten der Kündigung unter Hinweis auf § 556a BGB widersprochen. Zugleich war eine Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum 30.11.1987 begehrt worden. Weiter enthält das Schreiben den Hinweis, daß die Beklagten ihr seinerzeit im Rohbau fertiggestelltes Haus voraussichtlich bis zum genannten Zeitpunkt würden beziehen können. Für den Kläger und seinen Prozeßbevollmächtigten konnte daher bei Klageerhebung im September 1987 nicht zweifelhaft sein, daß die Beklagten bereit waren, alsbald auszuziehen. Die Auffassung des Klägers, einem "sofortigen" Anerkenntnis i.S. von § 93b Abs. 3 ZPO stehe entgegen, daß der Mieterbund in dem erwähnten Schreiben der Kündigung widersprochen habe, ist rechtsirrig. Denn dem Widerspruch und seiner Begründung war zweifelsfrei zu entnehmen, daß die Beklagten nur eine unter Berücksichtigung aller Umstände angemessene Fortsetzung des Mietverhältnisses (§ 556a Abs. 2 Satz 1 BGB) begehrten. Hinzu kommt, daß § 93b Abs. 3 ZPO allein darauf abstellt, ob der Beklagte den Räumungsanspruch im Rechtsstreit sofort anerkennt. Entgegen der ersichtlich vom Kläger vertretenen Auffassung ist ein vorprozessuales Anerkenntnis nicht Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 93b Abs. 3 ZPO. In der Rechtsprechung ist sogar anerkannt, daß trotz eines in der Klageerwiderung angekündigten Klageabweisungsantrages ein sofortiges Anerkenntnis anzunehmen ist, wenn es sodann im ersten Verhandlungstermin abgegeben wird (vgl. LG Hagen MDR 1965, 750).

Um so weniger kann hier angenommen werden, der lediglich vorprozessual erklärte Widerspruch der Beklagten stehe der Annahme entgegen, sie hätten den Räumungsanspruch im Rechtsstreit sofort anerkannt.

In Fällen der hier zu beurteilenden Art wollte der Gesetzgeber den klagenden Vermieter mit den Prozeßkosten belastet sehen, wenn er eine Räumungsklage erhoben hat, die bei vorheriger Klärung der Sachlage durch direkte Verhandlungen der Parteien vermeidbar gewesen wäre, weil der Mieter seine Räumungspflicht nicht bestritten und der Kläger dem Beklagten eine a...

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