Verfahrensgang

AG Kassel (Urteil vom 23.07.1996; Aktenzeichen 452 C 1958/96)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 23. Juli 1996 – 452 C 1958/96 – abgeändert und neu gefaßt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger DM 600,– nebst 4 % Zinsen seit dem 05. Juli 1995 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

In übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 72 % und die Beklagten 28 % zu tragen.

 

Gründe

Die Berufung ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, somit zulässig; sie hatte auch in der Sache teilweise Erfolg.

Der Kläger kann die Beklagten nur in Höhe von DM 600,– als Bürgen in Anspruch nehmen; die von den Beklagten hiergegen erklärte Aufrechnung ist unwirksam.

Mit zutreffender Begründung, der sich die Kammer anschließt, hat das Amtsgericht die von den Beklagten in § 20 des Mietvertrages übernommene Haftung für die „rechtzeitige Zahlung” des monatlichen Mietzinses in Verbindung mit dem über der Unterschrift der Beklagten eingetragenen Wort „Bürgen” als Bürgschaftserklärung ausgelegt, wofür insbesondere auch die persönliche Beziehung der Beklagten zu ihren beiden Söhnen spricht, die neben einem Herrn … Mitglied der Wohngemeinschaft waren, und mit Wirkung ab 01.02.1993 das Mietverhältnis mit dem Kläger über eine Wohnung in dessen Haus eingegangen waren. Damit haften die Beklagten gemäß § 765 BGB für die Erfüllung der Mietzinsverpflichtung in ihrem jeweiligen Bestand. Weder aus der (schriftlichen) Bürgschaftserklärung noch aus den Begleitumständen ist eine Einschränkung ihrer Haftung dergestalt ersichtlich, daß sie nur für eine anteilmäßige Haftung ihrer Söhne als Mieter gegenüber dem Kläger einstehen sollten. Aufgrund der Akzessorietät der Bürgschaft bezog sich diese auf die Hauptschuld aus dem Mietvertrag als Gesamtschuld gemäß § 17 Nr. 1 Mietvertrag.

Der Kläger kann die Beklagten auch ohne vorherige (erfolglose) Geltendmachung seiner Ansprüche gegen die Mieter aus der Bürgschaft in Anspruch nehmen, weil die Beklagten auf die Einrede der Vorausklage gemäß § 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB verzichtet haben. Ein solcher Verzicht liegt in der Regel in der Übernahme der Verpflichtung zur sofortigen Zahlung zu einem bestimmten Zeitpunkt (Palandt-Thomas, BGB, 55. Aufl., § 773 Rdn. 2). Die Bürgschaftsverpflichtung „für die rechtzeitige Zahlung” kann danach, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, bei verständiger Auslegung nur bedeuten, daß die Beklagten die rechtzeitige Zahlung des Mietzinses zu dem jeweiligen kalendermäßig bestimmten Fälligkeitstermin (spätestens am 3. Werktag eines Monats gemäß § 4 Nr. 1 Mietvertrag) durch eine sofortige Zugriffsmöglichkeit des Klägers auf sie bei Versäumung dieser Frist sicherstellen sollten.

Soweit die Beklagten (erst) am Schluß der Berufungsbegründung vom 27.09.1996 die Anfechtung der Bürgschaft und des Verzichts auf die Einrede der Vorausklage wegen Erklärungsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 BGB erklärt haben, ist diese Anfechtungserklärung schon deshalb unbeachtlich, weil sie gemäß § 121 Abs. 1 S. 1 BGB nicht unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern nach Kenntniserlangung vom Anfechtungsgrund erfolgt ist. Die anwaltlich beratenen Beklagten hatten schon aufgrund der erster Inanspruchnahme durch den Kläger als selbstschuldnerische Bürgen wegen der Mietrückstände, spätestens jedoch durch die Zustellung des angefochtenen Urteils am 31.07.1996 davon erfahren, daß ihre Erklärung in diesem Sinne auszulegen sei und damit nicht ihrem behaupteten abweichenden Willen entsprach. Wenn sie sich dann mit der Anfechtungserklärung bis zur Berufungsbegründung Zeit ließen, genügten sie dem Erfordernis der Unverzüglichkeit nicht mehr.

Allerdings ist, was das Amtsgericht übersehen hat, die Haftung aus der Bürgschaft auf den Betrag von drei Monatsnettomieten beschränkt, denn die Übernahme einer weitergehenden Sicherheitsleistung einschließlich der Beibringung einer Bürgschaft ist bei Wohnraummietverhältnissen gemäß § 550 b Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB verboten und damit gemäß § 134 BGB unwirksam. Da in diesem Falle der Vermieter eine solche Bürgschaft mithin ohne rechtlichen Grund erlangt hat, kann der Mieter von ihm gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB verlangen, daß er den Bürgen aus der Bürgschaft nicht in Anspruch nimmt, soweit diese unter Anrechnung einer bezahlten Kaution den zulässigen Betrag von drei Monatsmieten überschreitet, und der Bürge kann diesen Freigabeanspruch seinerseits gemäß § 768 Abs. 1 BGB dem Vermieter gegenüber einredeweise entgegenhalten (BGH NJW 1989, 1853). Hierauf haben die Beklagten sich im Kammertermin ausdrücklich berufen.

Danach reduziert sich die Bürgschaftshaftung der Beklagten auf den zulässigen Bürgschaftsbetrag von 3 × DM 1.200,– (monatlicher Nettomietzins) = DM 3.600,– abzüglich der geleisteten Kaution von DM 3.000,– = DM 600,–.

Die von den Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung mit einem ihnen angeblich von ihrem Sohn … abgetretenen vermei...

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