Entscheidungsstichwort (Thema)

Bürgschaft; zusätzliche Barkaution. Doppelte Sicherheit des Vermieters durch Barkaution und Bürgschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

Hat der Vermieter den Abschluß eines Mietvertrages über Wohnraum davon abhängig gemacht, daß der Mieter neben einer Barkaution zusätzlich eine Bürgschaft für alle Ansprüche aus dem Mietverhältnis stellt, so kann der Mieter verlangen, daß der Bürge über den Betrag von drei Monatsmieten hinaus nicht in Anspruch genommen wird; der Bürge kann dieses Recht des Hauptschuldners einredeweise geltend machen.

 

Orientierungssatz

Die Bürgschaft als akzessorisches Sicherungsmittel will dem Gläubiger gegen den Bürgen keine besseren Rechte geben als gegen den Schuldner. Sinn und Zweck des BGB § 768 wird daher nur eine Auslegung gerecht, die dem Bürgen das Recht einräumt, sämtliche Einreden des Hauptschuldners zu erheben, es sei denn, der Sicherungszweck der Bürgschaft steht dem entgegen.

 

Normenkette

BGB § 550b Abs. 1 S. 1, Abs. 3, § 768 Abs. 1, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Entscheidung vom 30.08.1988; Aktenzeichen 22 U 83/88)

LG Köln (Entscheidung vom 02.02.1988; Aktenzeichen 5 O 263/87)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 30. August 1988 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten als Bürgen in Anspruch.

Dieter D. (im folgenden: Mieter) wollte von der Klägerin eine Wohnung anmieten. Diese hatte den Abschluß des Mietvertrages davon abhängig gemacht, daß er außer einer zu stellenden Mietkaution für sämtliche Forderungen aus dem Mietverhältnis eine selbstschuldnerische Bürgschaft beibrachte. Am 11. August 1983 kam es zum Abschluß des Mietvertrages. Der Grundmietzins betrug monatlich 655 DM. § 5 des Formularmietvertrages hat folgenden Wortlaut:

„Mietkaution

Der Mieter verpflichtet sich, dem Vermieter bei Vertragsabschluß eine Kaution von DM 1.824 (achtzehnhundertvierundzwanzig) zur Sicherung aller Forderungen aus dem Mietverhältnis zur Verfügung zu stellen. Bei der Überweisung ist ausdrücklich „Kaution” als Verwendungszweck anzugeben. Im übrigen wird auf die gesonderte Vereinbarung Bezug genommen. Die Mietkaution wird spätestens drei Monate nach Auflösung des Mietverhältnisses zurückgezahlt, sofern und soweit sie nicht in Anspruch genommen wird.”

Die im Anschluß an den DM-Betrag vorgedruckten Wörter „auf das in § 4 Ziff. 1 genannte Konto der Gerling-Konzern Lebensversicherungs AG Köln unverzinslich” waren gestrichen, der Satz „Im übrigen wird auf die gesonderte Vereinbarung Bezug genommen” handschriftlich eingefügt worden. Am selben Tag trafen die Mietvertragsparteien eine „Vereinbarung einer Sicherheitsleistung”, die unter anderem den Fälligkeitstermin der Barkaution (15. August 1983) und die Bankverbindung aufführt, die Verzinsung regelt und ein Aufrechnungsverbot enthält. Ebenfalls am 11. August 1983 gab der Beklagte, der vom Mieter als Bürge gestellt worden war, eine Bürgschaftserklärung ab, die folgenden Wortlaut hat:

„Hiermit erkläre ich, daß ich/wir die unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft als Gesamtschuldner für sämtliche Forderungen

der/des

vertreten durch die D. Treuhand GmbH gegen Herrn (Mieter)

aus dem Mietverhältnis über die Wohnung in: … übernehmen.”

Der Mieter leistete die vereinbarte Barkaution. Mit Schreiben vom 14. März 1985 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis fristlos wegen Zahlungsverzuges, verrechnete die vom Mieter geleistete Barkaution auf die Zahlungsrückstände und erhob gegen ihn Zahlungs- und Räumungsklage.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt sie vom Beklagten, der vorprozessual 800 DM gezahlt hat, weitere 7.372,14 DM nebst Zinsen und vorgerichtlicher Mahnkosten. Dieser beruft sich auf die Unwirksamkeit des Bürgschaftsvertrages und macht geltend, daß die Klägerin jedenfalls nach seiner vorprozessualen Zahlung von ihm als Bürgen nichts mehr verlangen könne. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

1. Das Berufungsgericht meint, der von den Parteien geschlossene Bürgschaftsvertrag sei nach §§ 550 b, 134 BGB insoweit nichtig, als die Klägerin danach unter Berücksichtigung der von dem Mieter geleisteten und auf dessen Mietschulden verrechneten Barkaution eine Sicherheit in Höhe von insgesamt mehr als drei Monatsmieten erlangt habe. Die Bürgschaft stelle eine Sicherheit im Sinne des § 550 b BGB dar, der auch die doppelte Absicherung der Forderung des Vermieters durch zwei Sicherheiten erfasse. Ein Nebeneinander von Barkaution und Bürgschaft sei unzulässig, wenn und soweit beide Sicherheiten betragsmäßig zusammengenommen die Summe von drei Monatsmieten überschritten. Wenngleich § 550 b Abs. 3 BGB unmittelbar nur die Abrede zwischen Vermieter und Mieter betreffe, so sei auch der von den Parteien geschlossene Bürgschaftsvertrag nichtig. Andernfalls bestünde die Gefahr, daß der Schutz des § 550 b BGB bei Sicherheitsleistung durch Bürgen weitgehend leerliefe. Jedenfalls könne der Mieter die Bürgschaft von der Klägerin nach § 812 BGB herausverlangen, soweit diese eine Sicherheit in Höhe von insgesamt mehr als drei Monatsmieten erlangt habe. Dann aber sei der Beklagte in entsprechender Anwendung der §§ 770, 768 BGB zur Verweigerung der Leistung an die Klägerin berechtigt.

2. Dagegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.

Es kann auf sich beruhen, ob das Verbot des § 550 b Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BGB auch den Bürgschaftsvertrag erfaßt, der in Erfüllung einer Kautionsvereinbarung zwischen dem Vermieter und dem Bürgen abgeschlossen wird (so AG Köln ZMR 1984, 379; Soergel/Kummer, BGB Nachträge 11. Lieferung Juli 1988 § 550 b Rdnrn. 6 u. 12; Emmerich/Sonnenschein, Miete, 4. Aufl. § 550 b Rdnr. 3; a. A. Eckert EWiR 1989, 241). Jedenfalls ist der Beklagte berechtigt, weitere Zahlungen auf die Bürgschaft zu verweigern (§ 768 Abs. 1 BGB).

a) Soweit die Sicherheiten betragsmäßig zusammengenommen die Summe von drei Monatsmieten übersteigen, ist die Klägerin im Verhältnis zum Mieter ungerechtfertigt bereichert (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB). Nach dieser Vorschrift ist, wer durch die Leistung eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, diesem zur Herausgabe verpflichtet.

Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin den Abschluß des Mietvertrages von der Bürgschaft des Beklagten abhängig gemacht. Das Berufungsgericht stellt weiter fest, daß die im Mietvertrag getroffene Kautionsabrede auf eine „gesonderte Vereinbarung” Bezug nehme. Es prüft, ob die Mietvertragsparteien – gegebenenfalls konkludent – vereinbart haben, daß der Mieter außer der Barkaution einen Bürgen zu stellen habe. Es bejaht diese Frage und zieht daraus den Schluß, daß die vom Beklagten abgegebene Bürgschaft im Verhältnis zwischen den Mietvertragsparteien eine weitere Sicherheitsleistung des Mieters darstelle.

Diese Auslegung des Mietvertrages ist möglich, die daraus gezogene rechtliche Folgerung fehlerfrei.

§ 550 b Abs. 1 Satz 1 BGB will den Mieter unter Anerkennung des Sicherungsbedürfnisses des Vermieters vor zu großen Belastungen bewahren und Erschwerungen für den Abschluß neuer Mietverträge entgegenwirken, die in mobilitätshemmender Weise von hohen Kautionsforderungen ausgehen können (Begründung BT-Drucks. 9/2079 S. 10). Der Schutzzweck der Norm gebietet eine Auslegung, die keine Rücksicht darauf nimmt, ob die Verpflichtung zur Leistung der Sicherheit im Mietvertrag vereinbart und zum Beispiel durch Abschluß eines Bürgschaftsvertrages (§§ 232 Abs. 2, 239 BGB) erfüllt wird oder ob der Mieter auf Verlangen des Vermieters eine Sicherheit durch Bürgschaft stellt und damit die Voraussetzungen für den Abschluß des Mietvertrages schafft. Die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Mieters wird in beiden Fallgestaltungen gleichermaßen eingeschränkt.

Es kann offenbleiben, ob von einer Unwirksamkeit der Bürgschaft in solchen Fällen ausgegangen werden kann.

Soweit die Bürgschaft unter Anrechnung der Barkaution drei Monatsmieten übersteigt, ist sie ohne eine wirksame Kautionsabrede und damit rechtsgrundlos geleistet worden (so auch Eckert aaO). § 550 b Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BGB gilt für jede Form der Sicherheit, nicht nur für Barkautionen, sondern auch für Bürgschaften. Dies entspricht allgemeiner Auffassung (vgl. Palandt/Putzo, BGB 48. Aufl. § 550 b Anm. 1 c; MünchKomm/Voelskow, BGB 2. Aufl. § 550 b Rdnr. 7; Emmerich/Sonnenschein aaO § 550 b Rdnr. 3; Soergel/Kummer aaO § 550 b Rdnr. 5; auch BT-Drucks. 9/2079 S. 13). Auch Mehrfachsicherungen sind unwirksam, soweit sie zusammengerechnet drei Monatsmieten übersteigen (Palandt/Putzo aaO § 550 b Anm. 2 c; MünchKomm/Voelskow aaO § 550 b Rdnr. 6; Emmerich/Sonnenschein aaO § 550 b Rdnr. 3).

Der Mieter, der mehr Sicherheiten erbracht hat, als gesetzlich zulässig sind, kann verlangen, daß der Vermieter die Sicherheiten nicht verwertet, sondern freigibt und einen Bürgen aus einer Bürgschaft nicht in Anspruch nimmt.

b) Auf diese Einrede beruft sich der Beklagte mit Recht (§ 768 Abs. 1 Satz 1 BGB). Nach dieser Vorschrift kann der Bürge die Einreden des Hauptschuldners wie eigene geltend machen. Dieses Recht steht auch dem selbstschuldnerischen Bürgen zu (BGHZ 76, 222, 226).

aa) Zu den Einreden im Sinne des § 768 BGB rechnen zunächst die Gegenrechte, die dem Hauptschuldner gegen die verbürgte Forderung zustehen (BGB-RGRK/Mormann, 12. Aufl. § 768 Rdnr. 1; Motive zu dem Entwurfe eines BGB Bd. 2 S. 661). Danach hinge es im Streitfall von den Vereinbarungen der Mietvertragsparteien ab, ob der Bereicherungsanspruch des Mieters ihn dazu berechtigte, die Erfüllung der Mietzinsforderung zu verweigern. Dazu hat der Tatrichter keine Feststellungen getroffen.

bb) Der Wortlaut des § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB gebietet indes keine derartige einschränkende Auslegung. Es ist zu berücksichtigen, daß die Bürgschaft als akzessorisches Sicherungsmittel dem Gläubiger gegen den Bürgen keine besseren Rechte geben will als gegen den Schuldner. Sinn und Zweck des § 768 BGB wird daher nur eine Auslegung gerecht, die dem Bürgen das Recht einräumt, sämtliche Einreden des Hauptschuldners zu erheben (vgl. MünchKomm/Pecher BGB aaO § 768 Rdnr. 2; Soergel/Mühl, BGB 11. Aufl. § 768 Rdnr. 2), es sei denn, der Sicherungszweck der Bürgschaft steht entgegen (§ 768 Abs. 1 Satz 2; Soergel/Mühl aaO § 768 Rdnr. 2; Staudinger/Horn, BGB 12. Aufl. § 768 Rdnr. 4). Danach ist es unerheblich, ob der Bereicherungseinwand den Mieter nur dazu berechtigt, der Verwertung der Sicherheit zu widersprechen, oder ob er ihm darüber hinaus ein Gegenrecht gegenüber der Hauptforderung einräumt. Jedenfalls kann der Beklagte dessen Einrede, aus der Bürgschaft nicht vorzugehen, wie eine eigene geltend machen.

 

Fundstellen

BGHZ, 210

NJW 1989, 1853

ZIP 1989, 625

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