Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristlose Kündigung nur als ultima ratio zur Wiederherstellung des Hausfriedens

 

Orientierungssatz

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Überempfindlichkeiten, die den Mieter zu störenden Reaktionen auf Geräusche aus einer Wohnung veranlassen, rechtfertigen keine fristlose Kündigung wegen Störung des Hausfriedens, wenn der Störer vom Nachbarn auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann.

 

Gründe

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Die Klage ist nicht begründet. Die Beklagten haben weiterhin ein Recht, die ihnen vermieteten Räume in ihrem Besitz zu haben. Denn das Mietverhältnis mit der Klägerin besteht fort. Es ist durch die mit Schreiben v. 29.12.1988 ausgesprochene fristlose Kündigung nicht beendet worden. Die Kündigung ist unwirksam, weil ein den Beklagten zuzurechnender Kündigungsgrund i.S. des § 554a BGB nicht mit der zur Verurteilung der Beklagten ausreichenden Gewißheit feststellbar ist.

Die Beweisaufnahme des AG hat zwar ergeben, daß es zwischen den Beklagten und den Zeugen H. zu Reibereien kommt. Diese haben jedenfalls auch ihre Ursache darin, daß die Beklagten auf aus der Wohnung H. in ihre Wohnung vordringende Geräusche unangemessen, nämlich durch Klopfen an die Wand u.ä. reagieren. Diese Erwiderungen seitens der Beklagten erfolgen jedoch auch nach der Aussage der Zeugen H. nicht allzu häufig. Die Zeugin H. berichtet, daß Klopfgeräusche aus der unteren Wohnung manchmal zweimal am Tag zu hören seien, manchmal unterbleibe das Klopfen aber wieder für eine Woche. Die Aussagen der Eltern der Zeugen H. besagen im Kern nichts anderes. Die sonstigen Zeugen können nur von Einzelanlässen berichten. Insgesamt ergibt sich so der Eindruck einer als unangemessen empfindbaren Überempfindlichkeit der Beklagten gegen aus der Wohnung H. kommende Geräusche. Dabei mag eine unverkennbare persönliche Aversion der Beklagten gegen die Eheleute H. subjektiv geräuschverstärkend wirken. Störend ist gewiß auch die in dem mehrfachen und wiederholten Klopfen zum Ausdruck kommende Unduldsamkeit. Von daher dürfte gegen einen Abwehranspruch der Eheleute H. gegen die Beklagten gerichtet auf Unterlassung des Klopfens nichts durchgreifend einzuwenden sein.

Eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses läßt sich indessen auf das zu rügende Verhalten der Beklagten noch nicht stützen. Dabei ist generell zu bedenken, daß die fristlose Beendigung eines Mietverhältnisses das letzte Mittel zur Wiederherstellung des Hausfriedens ist. Zuvor müssen andere Befriedungsmöglichkeiten versagt haben. So wäre den Zeugen H. zumutbar gewesen, sich auf oben genannte Weise gegen die Beklagten zu wehren. Daß dies von vornherein untauglich gewesen sei, läßt sich nicht feststellen. Wie der Zeuge H. berichtet, ist es in letzter Zeit - wohl unter dem Eindruck des schwebenden Rechtsstreits - ruhiger geworden. Hinzu kommt als Besonderheit des vorliegenden Falles, daß der Beklagte zu 2) schwer krank ist und daß die Beklagten bis zur Kündigung v. 29.12.1988 seit mehr als 17 Jahren die Räume der Klägerin bewohnen. Die Dauer des Mietverhältnisses und die gravierenden Nachteile, die ein Umzug für den Beklagten zu 2) bedeuteten, mindern das Gewicht der von den Zeugen H. berichteten Unzuträglichkeiten. Die befürchteten Gesundheitsschäden für das Kind H. lassen sich auf andere Weise als durch sofortige Kündigung des Mietverhältnisses mit den Beklagten abwenden.

Schließlich ergeben auch nicht das Klopfen und das weitere unpassende Verhalten der Beklagten zusammengenommen einen zureichenden Kündigungsgrund. Zwar können Beschimpfungen und Beleidigungen den Hausfrieden zweifellos sehr nachhaltig gefährden und beeinträchtigen. Aber auch insoweit stellt die Rechtsordnung den unmittelbar Betroffenen ausreichende Abwehrmöglichkeiten zur Verfügung. Außerdem hat die Kammer bei der informatorisch erfolgten Anhörung der Zeugen H. im Termin v. 4.7.1989 den Eindruck gewonnen, daß die Zeugin H. durchaus in der Lage ist, auf die an sie herangetragenen Schimpfworte verbal angemessen zu reagieren.

Die fristlose Kündigung v. 29.12.1988 kann nicht in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden. Zwar ist eine solche Umdeutung nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Sie erfordert indessen, daß sich eindeutig feststellen läßt, der Vermieter wolle das Mietverhältnis in jedem Fall beenden (Palandt/Putzo, BGB, 48. Aufl., Anm. 3g zu § 564 m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall. Die Klägerin stützt ihre Kündigung ausschließlich auf § 554a BGB. Ersichtlich kommt es der Klägerin mehr darauf an, den Hausfrieden wiederherzustellen, wobei sie die Beklagten als (Hauptstörer) Störer ansieht, deren Störungsbeitrag indessen aufs Ganze gesehen zu schwer gewichtet.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1738269

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